Russland-USA: Wettrüsten oder Dialog

Die Präsidenten Putin und Trump werden in Hamburg über Rüstungskontrolle reden müssen

  • Hubert Thielicke
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn sich die Präsidenten Russlands und der USA, Wladimir Putin und Donald Trump, beim G20-Gipfel in Hamburg zum ersten Mal treffen, werden sie das Thema Kernwaffen nicht ausklammern können. Immerhin besitzen beide Staaten zusammen mehr als 90 Prozent dieser Massenvernichtungsmittel.

Noch gibt es aber keine Klarheit über die Position der Trump-Administration. Zwar sprach US-Außenminister Rex Tillerson im Mai davon, dass eine »lange Liste« von Problemen bei den Nuklearwaffenabkommen zu bearbeiten wäre. Doch zuvor hatte sein Präsident neue Milliardensummen für die Modernisierung der Kernwaffen beantragt. Die USA müssten wieder »Anführer des Rudels« bei diesen Waffen sein, so Trump. Außerdem sei der 2010 mit Russland abgeschlossene Neue START-Vertrag über die Reduzierung der strategischen Offensivwaffen »ein schlechtes Geschäft«. Hier scheinen dem Präsidenten »fake news« untergekommen zu sein. Vom State Department veröffentlichte Informationen über den Datenaustausch zum Vertrag lassen ein Gleichgewicht bei den Waffensystemen erkennen.

Der Vertrag sieht die Reduzierung der Atomsprengköpfe auf den strategischen Trägersystemen beider Seiten bis auf je 1550 im Februar 2018 vor, während die stationierten Träger, also Interkontinentalraketen, U-Boot gestützte Raketen und Langstreckenbomber, bis auf 700 verringert werden sollen. Gelten soll das Abkommen bis 2021. In seinem ersten Telefongespräch mit Trump schlug Putin bereits vor, den Vertrag um fünf Jahre zu verlängern.

Doch was wollen die USA? Schon befürchten Beobachter, dass Äußerungen Trumps auf ein neues nukleares Wettrüsten hindeuten könnten. Sie sehen sich darin bestärkt durch die Wiederholung alter Beschuldigungen, Russland würde Vereinbarungen zur Rüstungskontrolle nicht einhalten. Das behauptet ein im April vom US-Außenministerium vorgelegter Bericht über die Einhaltung von Vereinbarungen zur Rüstungskontrolle, Nichtverbreitung und Abrüstung: Russland würde den Vertrag über die Mittelstreckenwaffen (INF-Vertrag) durch einen neuen landgestützten Marschflugkörper verletzen, nicht ausreichend über die Einhaltung der Konvention über das Verbot der biologischen Waffen informieren, das Wiener Dokument von 2011 über vertrauensbildende Maßnahmen nur selektiv erfüllen und dergleichen mehr.

Moskaus Konter auf das jährlich herausgegebene US-Dokument erfolgte rasch, harsch und umfassend. »Kommentare« des Außenministeriums weisen US-Vorwürfe zurück und listen in elf Punkten solche an die Adresse der USA auf. Der Aufbau eines globalen Raketenabwehrsystems bedrohe die strategische Stabilität, auf die russischen Sorgen hätte es keine Antwort gegeben. Die in Polen und Rumänien stationierten bzw. dort geplanten Anti-Raketenkomplexe seien in der Lage, Tomahawk-Marschflugkörper zu starten, was eine Verletzung des INF-Vertrages wäre.

Ungewöhnlich scharf kritisiert Russland das NATO-Konzept der »nuklearen Teilhabe«. Die Beteiligung europäischer nichtkernwaffenbesitzender NATO-Staaten an »gemeinsamen nuklearen Missionen« verletze die Grundbestimmungen des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen. Eine Modernisierung der in Europa stationierten nuklearen Bomben senke die Schwelle für die Anwendung von Kernwaffen. Nach wie vor haben die USA den Vertrag über den umfassenden Kernwaffenteststopp nicht ratifiziert und blockieren Maßnahmen zur Stärkung der Konvention über das Verbot der biologischen Waffen.

Bei aller Schärfe lässt Moskau aber Bereitschaft zu Verhandlungen erkennen. Die NATO müsse aber von Versuchen Abstand nehmen, Russland »einzudämmen«.

Dr. Hubert Thielicke war in den 1980er Jahren an den Genfer Beratungen über einen Kernwaffenteststopp beteiligt und Mitglied der Expertengruppe des UN-Generalsekretärs über die Rolle der UNO bei der Kontrolle.

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