Bayern beinhart

Kein anderes Bundesland in Deutschland gebärdet sich dermaßen als kompromissloser Abschieber

  • Johannes Hartl
  • Lesedauer: 4 Min.

Selten konnte man eindrucksvoller beobachten, welche menschlichen Tragödien mit einer Abschiebungen verbunden sind, als am 31. Mai 2017. An einer Berufsschule in Nürnberg hat die Polizei damals den 21-jährigen Afghanen Asef N. abgeholt - gegen den erbitterten Widerstand seiner Mitschüler. Ausgerechnet am Tag des dramatischem Bombenanschlags in der Hauptstadt Kabul sollte er in sein Heimatland abgeschoben werden, aus dem er einst nach Deutschland geflohen ist. Der Protest seiner Mitschüler wurde später durch die Polizei mit Schlagstöcken und Pfefferspray niedergeschlagen, als sie über einen längeren Zeitraum den Abtransport behinderten. Zuvor hatte die Regierung von Mittelfranken einen abgelehnten Bescheid verzögert zugestellt, um die Nutzung von etwaigen Rechtsmitteln zu verhindern.

Kirche als Gegner

So schockierend der Vorfall ist, er ist exemplarisch für den Umgang mit Flüchtlingen in Bayern. Seit Monaten sorgt der Freistaat mit seiner rigiden Asylpolitik für Empörung, die Abschiebungen um jeden Preis durchsetzen will - selbst in unsichere Regionen wie Afghanistan, ein vom Bürgerkrieg gebeuteltes Land. Inzwischen scheinen die Behörden bei derartigen Bemühungen offenbar jeden Maßstab verloren zu haben, wie nicht bloß der Vorfall in Nürnberg zeigt. Bereits im Frühjahr 2017 war das Bundesland in die Schlagzeilen geraten, nachdem Ermittlungen gegen Priester bekannt wurden.

Die Verfahren richteten sich ausschließlich gegen Geistliche, die Flüchtlingen in ihren Gotteshäusern Kirchenasyl gewährt haben. Ihnen wurde deswegen Beihilfe zum illegalen Aufenthalt vorgeworfen, die mit Geld- oder einjähriger Freiheitsstrafe bestraft werden kann - ein Vorgehen, das lediglich in Bayern zu beobachten war. Im weiteren Verlauf des Ermittlungsverfahrens erhielten die Betroffenen Post von der Polizei, wurden als Beschuldigte vorgeladen. Für die meisten Priester war klar, was die Behörden mit diesem Vorgehen bezwecken wollten: Einschüchtern. Dass die Verfahren später eingestellt wurden und die Staatsregierung auf das Legalitätsprinzip verwies, konnte ihren Unmut kaum besänftigen.

Allein bis Ende März zählte die evangelische Landessynode 17 solcher Ermittlungsverfahren, bei einer vermutlich höheren Dunkelziffer. Dorothea Seitz-Dobler hat das Vorgehen der Behörden damals genau beobachtet. Die Schwandorferin engagiert sich in ihrer evangelischen Gemeinde, betreut dort drei Flüchtlinge im Kirchenasyl. Sie unterstützt sie im Alltag, bindet sie in das Gemeindeleben ein und erledigt Einkäufe für sie. Das Kirchenasyl ist für Seitz-Dobler ein »Urrecht der Kirchen«, um schwierigen Einzelfällen zu einer erneuten Prüfung durch die Behörden zu verhelfen. »Das ist wichtig, damit ein weiterer Blick auf den Fall geworfen wird.«

Nicht einschüchtern lassen

Für die Ermittlungen hat sie kein Verständnis - vor allem, weil jedes Kirchenasyl durch die Kirche umgehend den Behörden gemeldet wird. Sie spielt damit auf eine Vereinbarung an, die zwischen den beiden großen Kirchen, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie dem Bundesinnenministerium besteht. Unter diesen Umständen von einer kriminellen Beihilfe zu sprechen, hält sie für absurd. Ihrer Einschätzung nach hat das behördliche Vorgehen »insgesamt zu einer Verunsicherung« bei den kirchlichen Gemeinden geführt, selbst wenn diese wie die Schwandorfer von keinem Verfahren betroffen sind.

Auch der Bayerische Flüchtlingsrat bestätigt das. »Die Abschiebebestrebungen sind generell größer geworden«, sagt Jana Weidhaase dem »nd«. »Wir erleben seitdem, dass der Druck auf die Betroffenen und auf deren Unterstützer zugenommen hat.« Bei vielen Helferkreisen und Initiativen sorge die aktuelle Politik für Unverständnis, so der Flüchtlingsrat: »Die Helferkreise sagen, sie verstehen das nicht. Da sind Menschen, die sind gut integriert und fleißig, engagieren sich sogar in einem lokalen Verein, und sollen trotzdem abgeschoben werden.« Es lasse sich dort allgemein »Unverständnis und Empörung« feststellen, so Weidhaase.

Engagierte Helfer wie Seitz-Dobler lassen sich von der harten Linie der Staatsregierung jedoch nicht beeindrucken. Die Flüchtlinge im Schwandorfer Kirchenasyl sollten ursprünglich nach dem Dublin-Verfahren in ein EU-Land abgeschoben werden, das sie zuerst registriert hat. Weil in den fraglichen Staaten aber desolate Zustände herrschen, die international in der Kritik stehen, hat die Kirche ihnen nach einer sorgfältigen Prüfung der Situation Schutz geboten. In diesem Engagement wollen sie auch nicht nachlassen - Einschüchterungsversuche hin oder her.

»Wir thematisieren das natürlich in der Gemeinde, und wir waren durch die Ermittlungen verunsichert, weil man nie so recht weiß, woran man gerade ist«, sagt Seitz-Dobler. »Aber das hält uns selbstverständlich nicht davon ab, Menschen in einer solchen Lage zu helfen. Da muss man drüber stehen.« Eine Meinung, der sich viele Ehrenamtliche in Bayern anschließen dürften.

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