Dicke Balken brennen schlecht

Der Baustoff Holz leidet unter seinem Image als brennbares Material. Dabei lässt sich damit sicher und ökologisch bauen

  • Steffen Schmidt
  • Lesedauer: 4 Min.

Bei Holz im Bauwesen denkt man wohl zuerst an alte Fachwerkhäuser oder rustikale Balkendecken. Ein Inbegriff des modernen Bauens ist das wohl älteste Baumaterial des Menschen bislang nicht. Und doch gibt es in aller Welt gerade eine Renaissance des Holzbaus. Und längst sind es nicht nur Einfamilienhäuser oder Berghütten in den Alpen. Ob große Bürohäuser in Österreich oder Australien, ein 18-stöckiges Studentenwohnheim in Kanada, ein futuristisches Bahnhofsgebäude in London oder das höchste Holzgebäude, das Holz-Hochhaus in Wien - Holz scheint eine Renaissance zu erleben.

Die Gründe sind vielfältig. Zum einen ist Holz faktisch der einzige nachwachsende Baustoff. Ziegel, Naturstein, Beton oder Stahl - sie alle werden aus endlichen Rohstoffen produziert. Zudem ist der Abbau der Rohstoffe mit zum Teil massiven Natureingriffen verbunden - der Streit zwischen Unternehmen, Anwohnern und Naturschützern um Kiesgruben in Deutschland ist nur ein kleiner Ausschnitt der Probleme.

Zum anderen verbraucht die Produktion von Zement - der wichtigsten Zutat des Betons - ebenso wie die von Ziegeln und Stahl exorbitante Energiemengen, hauptsächlich durch Verbrennung von Kohle und fossilen Kohlenwasserstoffen. So fallen pro Tonne Zement bei der Herstellung ca. 870 Kilogramm CO2 an, bei Rohstahl sind es sogar 1475 kg. Immerhin stammt inzwischen die Hälfte des Baustahls aus Schrott, wo die Klimabilanz besser ausfällt.

Holz dagegen entzieht während der Wachstumsphase der Bäume CO2 aus der Luft, so dass Bauholz ein Langzeitspeicher für das Treibhausgas ist. Je nach Holzanteil der Bauten kann gegenüber mineralischen Materialien beim Bau mehr als ein Drittel an Treibhausgasen eingespart werden. Und es wächst so viel Holz nach, dass man mit 50 Prozent des Holzaufkommens in Deutschland den gesamten Wohnungs- und Büroneubau bestreiten könnte. Der Holzbauexperte Stefan Winter von der TU München glaubt allerdings, dass schon wegen der begrenzten Verarbeitungskapazitäten in den nächsten Jahren der Holzanteil bei neu gebauten Einfamilienhäusern auf maximal 60 Prozent und bei mehrgeschossigen Bauten auf 10 bis 20 Prozent steigen kann. Es sei ohnehin das Schlaueste, wenn man den jeweils günstigsten Materialmix verwende.

Holz bietet einige technologische Vorteile. Da es recht leicht ist, lassen sich große Teile günstig fabrikmäßig vorfertigen und auf der Baustelle montieren. So wird ein Studentenheim in Hamburg aus komplett vorgefertigten Holzzellen zusammengesetzt. Das erlaubt kurze Bauzeiten und macht unabhängiger vom Wetter.

Wenn man diese Vorteile sieht, erstaunt, dass nicht schon längst wieder mehr mit Holz gebaut wird. Doch Holz ist eben nicht nur nachwachsender Rohstoff, relativ leicht und gut zu bearbeiten, Holz ist leider auch brennbar. Und so verbinden sich mit dem Gedanken an Holzbauten nicht nur Vorstellungen von Gemütlichkeit, sondern auch Erinnerungen an verheerende Stadtbrände. Deswegen haben Holzbau-Ingenieure ebenso wie Brandschutzexperten den jüngsten Hochausbrand in London aufmerksam studiert. Und da zeigt sich, dass es nicht allein auf die Brennbarkeit von Materialien ankommt, sondern darauf, wie das Material verbaut wird. Holzbauexperte Winter sieht genau da den Mangel beim Londoner Grenfell-Tower. Die Fassade habe anscheinend wegen fehlender geschossweiser Trennung der Wärmedämmung beim Brand einen Kamineffekt entwickelt, so dass das Feuer außer Kontrolle geriet.

Für Holzbauten habe man daher in einem europäischen Forschungsprojekt geeignete Konstruktionen für die Verwendung von Holz entwickelt, die eine Ausbreitung des Feuers bremsen. »Wir unterscheiden zwischen der Brennbarkeit der Baustoffe und dem Feuerwiderstand der Konstruktion«, erläutert Winter. »Im Feuerwiderstand der Konstruktion sind wir insbesondere im massiven Holzbau genau so gut wie Beton. 90 Minuten Feuerwiderstand ist kein Problem für Holzbau.« Man könne das ganz einfach selbst prüfen. Wenn man einen dicken Lärchenholzklotz in ein Lagerfeuer lege, dann brenne der oberflächlich an. Doch wo sich eine Kohleschicht gebildet habe, brenne das Material nicht weiter. Ähnlich sei es bei der Verwendung massiver Balken und von massiven dicken Wand- bzw. Deckenplatten. Wenn man zusätzliche Sicherheit haben wolle, könne man wie in Schweden üblich oder beim Wiener Holz-Hochhaus noch Sprinkleranlagen einbauen. Die seien in Deutschland unverständlicherweise bei Bauherren unbeliebt, obwohl sie in allen Bauweisen eine erhöhte Sicherheit böten. Zudem hätten auch Stahl und Stahlbeton im Brandfall ihre Schwächen. Stahl verliere bei 500 Grad seine Festigkeit, so dass Stahlkonstruktionen, obwohl unbrennbar, bei großen Bränden unter ihrer eigenen Last zusammenbrechen können.

Hermann Kaufmann & Winfried Nerdinger (Herausgeber): »Bauen mit Holz: Wege in die Zukunft«. Prestel Verlag 2016, Broschiert, 224 S.
Zwei Videos zum Thema:

https://youtu.be/fhQRTa1G2Ps

https://arteptweb-a.akamaihd.net/am/ptweb/071000/071300/071395-005-A_EQ_0_VOA_03037810_MP4-1500_AMM-PTWEB_l415YrBbZ.mp4

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