G20-Gipfel: Zweckmäßige Eskalation
Tom Strohschneider über den Polizeieinsatz in Hamburg
Die Polizeiführung hat eine Demo gesprengt und bewusst eine Eskalation in Gang gesetzt. Das ist nicht die Version von irgendwelchen Linken. Wer noch in der Lage ist, abseits behördlicher Mitteilungen nach Wahrheit zu suchen, weiß das. Der Zweck der Hamburger Eskalation: die von Anfang an mit politischer Rückendeckung verfolgte Strategie des Ausnahmezustands zu legitimieren.
Ob riesige Sperrzonen in der Stadt, ob an den Haaren herbeigezogene Schlafverbote, ob das Aussortieren »gefährlicher«, weil linker Anwälte: Die Polizeiführung hat nicht »unseren Rechtsstaat verteidigt«, wie nun Politiker im Lichte der Ausschreitungen erklären. Sondern sie hat Grundrechte attackiert - und kann, da es genug Pulverdampf gibt, darauf setzen, dass ihr Gebaren als nötige Vorsorge betrachtet wird.
Wahr ist freilich auch: Wenn Steine fliegen, dann auf Polizisten, nicht auf deren Führung, die in Hamburg die eigenen Leute verheizt. Wahr ist ebenso, dass brennende Autos kein Argument der Kritik sind.
Solcherart Geländespiele lassen sich nicht zur »militanten Gegengewalt« verklären. Sie sind Mist und machen es schwerer, jenen progressiven Ungehorsam zu verteidigen, auf den es die Polizeiführung eigentlich abgesehen hat: gut gelaunte Demos und Sitzblockaden im Sperrgebiet. Die sind politisch nämlich viel gefährlicher, weil radikal in der Kritik, aber dennoch anschlussfähig. Wenn jedoch durch den Rauch hindurch kaum noch jemand unterscheidet, freut das: die Polizeiführung. Wer dazu beiträgt, unterwirft sich, gewollt oder nicht, ihrem Zweck.
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