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Die Kirsche auf der Torte

Ins taz-Haus könnten schwul-lesbische Initiativen einziehen, um queere Vielfalt abzubilden

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Legomodell auf dem Tisch vor Sabine Balke ist bunt. Davon abgesehen hat es wenig mit dem zu tun, was es repräsentieren soll: Ein queeres Geschichts- und Bildungshaus, benannt nach zwei Vordenkern der Homosexuellen-Bewegung: Johanna Elberskirchen und Magnus Hirschfeld. Am Montag legten Vertreter von Initiativen der LSBTI-Community (Lesben, Schwule, Trans- und Intersexuelle) eine Machbarkeitsstudie vor. Das Projekt soll in das jetzige taz-Gebäude an der Rudi-Dutschke-Straße einziehen. Gemeinsam mit einem Neubau auf dem Nachbargrundstück würde das Projekt insgesamt 20 Millionen Euro kosten.

Die künftigen Nutzer sind in erster Linie die Schwulen- und Lesbenarchive der Stadt, von denen es nicht wenige gibt: das Spinnboden-Lesbenarchiv, dessen Geschäftsführerin Balke ist, das Lili-Elbe-Archiv und das feministische Archiv FFBIZ. Hinzu kommen die Forschungsstelle Kulturgeschichte der Sexualität an der Humboldt-Universität, die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft und die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld. Neben weiteren Initiativen will auch das Schwule Museum* langfristig an den neuen Standort umsiedeln.

Jan Feddersen, ein langjähriger taz-Redakteur, der die Initiative im Verein Queer Nations vorantreibt, sieht das Elberskirchen-Hirschfeld-Haus als »Kirsche auf der Torte dessen, was Berlin immer war und ist«: ein Ort mit einer lebendigen queeren Szene. Feddersen erhofft sich durch den gemeinsamen Standort eine bessere Zusammenarbeit sowie Synergieeffekte für die einzelnen Initiativen. Außerdem soll das gemeinsame Haus ihnen eine höhere Sichtbarkeit ermöglichen, aber auch die Geschichte der queeren Bewegung stärker in den Vordergrund rücken. »Es gibt in Berlin nach wie vor einen blinden Fleck in der Geschichtsschreibung.«

Ein Vorbild hat die Initiative nicht. »Das, was wir hier machen, ist zumindest in Europa einzigartig«, sagt Balke. Das liege auch an der einzigartigen Vielfalt der queeren Projekte in der Stadt.

Die taz will im Juli 2018 in ihren Neubau in der Friedrichstraße einziehen. Ab da plant das Projekt Elberskirchen-Hirschfeld-Haus, kurz E2H - so der Arbeitstitel - eine Zwischennutzung mit Veranstaltungen zum Thema, während die Sanierungs- und Umbauarbeiten laufen. Ab Mitte 2019 wollen die neuen Mieter dann einziehen. In dem Jahr jährt sich die Gründung der weltweit ersten Einrichtung für Sexualforschung zum 100. Mal - Magnus Hirschfeld hatte 1919 in Berlin das Institut für Sexualwissenschaft eröffnet, das 1933 von den Nazis geschlossen wurde. Das Jubiläumsjahr will die queere Szene Berlins mit einer Reihe von Veranstaltungen feiern.

Der Neubau des E2H auf dem Nachbargrundstück der taz soll 2023 fertig sein, dann soll das Schwule Museum* einziehen. Doch noch haben weder Bezirk noch taz ihr Okay gegeben. taz-Geschäftsführer Andreas Bull sagt: »Das wäre ein toller Nutzer.« Das Haus soll zum in der Gegend unschlagbaren Quadratmeterpreis von 10 Euro netto kalt vermietet werden, was auch andere an der Immobilie reizt. »Wir bekommen ständig Bewerbungen von allen möglichen Interessenten«, sagt Bull. Aber nicht irgendjemand soll einziehen. »Der Mieter muss zur taz passen.« Das Elberskirchen-Hirschfeld-Haus sei jedoch nicht die einzige Initiative, die sich die taz als Mieter vorstellen könne.

Das Nachbargrundstück gehört dem Bezirk, der deshalb auch über die Nutzung entscheiden kann. Die Initiative E2H will das Grundstück nicht kaufen, sondern pachten. Der Bezirk stehe dem Projekt offen gegenüber, so die Initiatoren, die Gespräche kämen gut voran. Der Kreuzberger Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) war am Montag für Nachfragen nicht erreichbar.

Und auch intern gibt es noch offene Fragen. Die Mehrzahl der Nutzer will eine Genossenschaft gründen. Vorbild ist das Frauen-Gründungs- und Unternehmenszentrum Weiberwirtschaft in Mitte. Vorteile der Genossenschaft sind Feddersen zufolge der geringe Kapitaleinsatz und die Möglichkeit, Gelder von Unterstützern einzuwerben.

Einwände gegen das Modell kommen vom Schwulen Museum*. »Eine Dachorganisation steht immer im Spannungsverhältnis zur Eigenständigkeit«, sagt Vorstandsmitglied Birgit Bosold. Nun müsse man sehen, wie die einzelnen Projekte ihre weitgehende Autonomie erhalten könnten. Das Schwule Museum* sei aber »hochinteressiert am Standort und an den Synergieeffekten«.

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