Urteil schwächt Lulas Rückkehrpläne

Neuneinhalb Jahre Haft wegen Korruption und Geldwäsche für Brasiliens Ex-Präsident Lula da Silva

  • Lesedauer: 3 Min.

Seine Amtszeit galt als das goldene Jahrzehnt Brasiliens. Bis heute ist Ex-Präsident Luiz Inácio »Lula« da Silva höchst populär und hätte laut Umfragen gute Chancen bei den Präsidentenwahlen im nächsten Jahr. Die Verurteilung wegen Korruption und Geldwäsche ist ein harter Schlag für den 71-Jährigen und gefährdet seine politische Rückkehr.

Am Mittwoch wurde Lula zu neun Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Er ist der mit Abstand prominenteste Politiker, dem wegen des Korruptionsskandals um den halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras der Prozess gemacht wurde und der erste Ex-Präsident, der wegen Korruption verurteilt wurde. Richter Sérgio Moro - für sein hartes Durchgreifen bekannt - sah es als erwiesen an, dass der Baukonzern OAS für den Ex-Präsidenten eine Wohnung an der Atlantikküste im Wert von rund 3,7 Millionen Real (1 Millionen Euro) renoviert hat. Im Gegenzug soll Lula der Baufirma Aufträge von Petrobras verschafft haben.

Der Ex-Präsident bestreitet die Vorwürfe. Seine Anwälte betonten, es lägen überhaupt keine Beweise vor und kündigten Berufung an. Sie würden bis vor die Vereinten Nationen ziehen. Die Staatsanwaltschaft kündigte am Abend Rechtsmittel an, um die ihrer Meinung nach zu geringe Haftstrafe zu erhöhen, wie das Onlineportal »G1« berichtete. Bis das Urteil rechtskräftig ist, bleibt Lula auf freiem Fuß.

Seine Nachfolgerin und Vertraute, Ex-Präsidentin Dilma Rousseff, nannte das Urteil blanken Hohn. »Er ist unschuldig«, betonte sie. Aus der Arbeiterpartei PT verlautete »politische Verfolgung«. In den Städten São Paulo und Rio de Janeiro kamen Lula-Anhänger zu spontanen Protestmärschen zusammen. Marina Silva, ehemalige Umweltministerin in der Regierung Lula und mögliche Herausforderin für die Wahlen 2018, sagte hingegen, das Urteil zeige, dass niemand über dem Gesetz stehe.

Sollte die Haftstrafe bestätigt werden, müsste Lula ins Gefängnis und dürfte bei den Präsidentenwahlen nicht antreten. Diese Entscheidung fällt ein Berufungsgericht. Der Prozess könnte sich laut lokalen Medienberichten aber bis ins nächste Jahr hinziehen und eventuell erst während des Wahlkampfes abgeschlossen werden.

Lula verfügt noch immer über starken Rückhalt in den ärmeren Bevölkerungsschichten. Sie profitierten während seiner Amtszeit von 2003 bis 2010 besonders von den Sozialprogrammen. Rund 30 Millionen Brasilianer entkamen unter Lula der Armut, das Land erlebte einen Wirtschaftsaufschwung. Seine Nachfolgerin Dilma Rousseff hatte weniger Glück mit der Konjunktur. Brasilien leidet seit Jahren unter einer Wirtschaftskrise, der Korruptionsskandal um Petrobras hat das gesamte politische System erschüttert. Mehr als zwei Drittel der Parlamentsabgeordneten stehen unter Korruptionsverdacht.

Gegen den amtierenden Präsidenten Michel Temer wurde vor wenigen Wochen Anklage erhoben. Er soll Schweigegeld für den ehemaligen Parlamentspräsidenten gebilligt haben. Sollte das Parlament dem Antrag der Staatsanwaltschaft zustimmen, müsste Temer sein Amt niederlegen und würde für sechs Monate suspendiert. Die Verfassungskommission diskutiert derzeit, eine Entscheidung des Plenums könnte noch in dieser Woche fallen. Kommentar Seite 4

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