Arbeitsplatzabbau mit Steuergeld

Vier Standorte des Feinkostherstellers Homann werden geschlossen, 1500 Jobs vernichtet. 800 neue Stellen sollen in Sachsen entstehen

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Aufsichtsrat hat entschieden und das Aus für vier Standorte des Feinkostherstellers Homann besiegelt. 1200 Jobs gehen im Landkreis Osnabrück verloren, insgesamt sind es über 1500. Betroffen sind die niedersächsischen Standorte Dissen und Lintorf, das nordrhein-westfälische Bottrop sowie das thüringische Floh-Seligenthal.

Was die vier Fabriken verbindet: Sie gehören zur Müller Gruppe, und im Jahr 2020 gehen die Lichter aus. Die Homann-Standorte hätten ihre Wettbewerbsfähigkeit verloren, hieß es in einer Konzernmitteilung im April. Müller will die Produktion seiner Feinkosttochter am sächsischen Standort Leppersdorf zentralisieren. 800 Jobs will Müller schaffen und Millionen investieren. Allen Beschäftigten wolle man anbieten, mit dorthin zu gehen.

Für den Tarifexperten und Streikforscher Heiner Dribbusch vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler-Stiftung ist das ein bisschen »lebensfremd«. »Aber das Unternehmen hat dann ein Jobangebot gemacht«, sagt er etwas ironisch. Möglichkeiten der Gegenwehr? »Schwierig.« Vergleichbare Fälle hätten gezeigt, dass der Widerstand solange lebendig ist, wie reale Erfolgschancen gesehen werden. Die Erfahrung lehre aber, dass ein Arbeitskampf gegen Werksschließungen extrem schwierig ist, so Dribbusch. Ein Kollege habe einmal zu ihm gesagt: »Wenn die Fabrik geschlossen werden soll, läuft ein Streik doch ins Leere. Die schließen ab, wenn wir draußen sind und werfen den Schlüssel weg.«

»Dem Management geht es um Kosten«, sagt der Wissenschaftler. Das sind jedoch nicht nur Lohnkosten. Subventionen für Neuansiedlungen machen es oft lukrativer, an neue Standorte zu gehen, als in bestehende zu investieren.

Markus Schürmeyer ist stellvertretender Betriebsratsvorsitzender im Homann-Stammwerk in Dissen. Man befinde sich in Verhandlungen um den Interessenausgleich, in denen sich Gesamtbetriebsrat und Geschäftsleitung über das »Wann und Wie« einer Schließung der vier Standorte einigen, sagt er gegenüber »nd«. Danach folgen die Sozialplanverhandlungen, in denen es um Abfindungen für die Betroffenen geht. »Bisher zeigt sich der Arbeitgeber durchaus verhandlungsbereit«, sagt Schürmeyer, der auch ehrenamtlicher Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) in Osnabrück ist.

Die NGG hat Homann zu Tarifverhandlungen aufgefordert, die Anfang August beginnen sollen. Die Gewerkschaft hatte in der Tarifrunde 2016 moderate Lohnforderungen gestellt; im Gegenzug hatte Homann zugesagt, dass der notwendige Neubau für den 140 Jahre alten Standort im Umkreis von 35 Kilometer um Dissen entstehen soll. Daran habe sich Homann/Müller nicht gehalten, sagt Schürmeyer. »Darum stellen wir jetzt Nachforderungen«; konkret sieben Prozent mehr Lohn. Ziel sei es, dass zurückzuholen »auf was wir in vergangenen Tarifrunden verzichtet haben«, sagte NGG-Geschäftsführer Uwe Hildebrand in einem Bericht der »Neuen Osnabrücker Zeitung« (NOZ).

Die NOZ fand heraus, dass Müller in Sachsen 25 bis 30 Millionen Euro an Subventionen für die Umsiedlung beantragt hat. »Es ist ein Skandal, dass der Abbau von Arbeitsplätzen mit Fördermitteln ‚belohnt‘ werden soll«, sagte NGG-Vize Claus-Harald Güster. Doch die NGG nehme die Herausforderung an und werde das Werk in Leppersdorf gewerkschaftlich organisieren. Dort gibt es keinen Tarifvertrag, die Menschen verdienen deutlich weniger als ihre KollegInnen im Westen.

Jutta Krellmann - gewerkschaftspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag - hat sich in Osnabrück über die Situation informiert. »Dass so viele Arbeitsplätze von A nach B verlagert werden - und das auch noch mit steuerlicher Förderung - ist bitter für alle Beteiligten«, sagt Krellmann gegenüber »nd«. Sie fordert eine Stärkung der wirtschaftlichen Mitbestimmung. »Realität ist, dass heute Unternehmen nur informieren, aber die Vorschläge der Arbeitnehmerseite nicht umsetzen müssen, und wenn sie zehnmal vernünftiger und wirtschaftlicher sind. Für die Beschäftigten geht es aber immer um Existenzen und Zukunft. Deshalb müssen sie ein Recht haben, über ihre Zukunft mitzubestimmen. Sie haben die Werte schließlich auch erarbeitet.«

Aus Dissen hörte man unterdessen, dass viele Homann-Beschäftigte gekündigt hätten und es Probleme gegeben habe, Schichten zu besetzen. In der Region gibt es viele Lebensmittelhersteller. Eine Perspektive könnte der Tiefkühltortenhersteller Coppenrath & Wiese im nahegelegenen Osnabrück bieten. Dort soll bis 2019 eine neue Produktionshalle fertig sein, 500 neue Jobs soll es geben. Bereits im Mai hatte die Personalleiterin angekündigt, zum Homann-Betriebsrat Kontakt aufnehmen zu wollen.

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