Chronik

  • Annette Schneider-Solis
  • Lesedauer: 2 Min.

Am Tag des Einmarschs der Deutschen in Riga am 1. Juli 1941 fanden die ersten Judenpogrome statt. Lettische Nationalisten taten sich dabei hervor. Am 4. Juli wurde die Große Choralsynagoge niedergebrannt. Im Keller starben über 300 litauische Juden, die aus ihrer Heimat vor den Deutschen geflohen und von der Rigaer Gemeinde aufgenommen worden waren. Sie wurden von Mitgliedern des lettischen Kommandos Arajs in den Keller getrieben, wo sie lebendig verbrannten.

Ab Sommer 1941 fanden im Hochwald von Bikernieki Massenerschießungen statt. Politische Häftlinge, sowjetische Kriegsgefangene und Tausende Ghettohäftlinge wurden ermordet und in Massengräbern verscharrt.

Im September 1941 erteilte Hitler die Genehmigung zur Deportation der Juden nach Osten. 20 000 Juden aus dem deutschen Reich wurden in das Großghetto Litzmannstadt (heute Lodz) deportiert. Riga und Minsk, inzwischen von deutschen Truppen besetzt, wurden als Deportationsziele für weitere 50 000 Menschen ausgewählt. Verschleppungen nach Minsk wurden wegen des hereinbrechenden Winters und der sich abzeichnenden Niederlage vor Moskau abgebrochen. Da Riga über keine Aufnahmekapazität verfügte, ordnete der Höhere SS- und Polizeiführer Friedrich Jeckeln, der auch den Massenmord an Kiewer Juden in Babi Jar organisierte, die Räumung des Rigaer Ghettos an.

Die ersten Deportationszüge kamen vor der »Freimachung« in Riga an. Über 1000 Männer, Frauen und Kinder aus Berlin wurden nach der Ankunft von deutschen Ordnungspolizisten und litauischen Hilfsfreiwilligen erschossen. Es waren die ersten Massenerschießungen deutscher Juden. Züge aus München, Frankfurt am Main sowie aus Wien und Breslau wurden in das Behelfslager Jungfernhof umgeleitet.

Am Rigaer Blutsonntag am 30. November 1941 wurden 15 000 Bewohner des Ghettos Moskauer Vorstadt in den Wald von Rumbula getrieben und von einem Kommando erschossen. Eine Woche später erlitten weitere 12 500 Ghettobewohner das gleiche Schicksal. Die überlebenden lettischen Juden wurden in einem kleinen Ghetto zusammengepfercht; später kamen litauische Juden aus Kaunas hinzu. In den größeren Teil der Moskauer Vorstadt wurden die deportierten »Reichsjuden« aus Deutschland, Österreich und der Tschechoslowakei eingesperrt.

Bis Februar 1942 trafen weitere Deportationszüge in Riga ein. Sie kamen aus Berlin, Nürnberg, Stuttgart, Wien, Hamburg, Köln, Kassel, Düsseldorf, Münster/Osnabrück/Bielefeld, Hannover, Theresienstadt, Leipzig/Dresden sowie Dortmund/Gelsenkirchen.

Arbeitsfähige Männer mussten in bitterer Kälte das »Arbeitserziehungslager« Salaspils errichten. Zwischen August und Dezember 1942 kamen weitere Transporte an. Im August 1943 ordnete Himmler an, alle Juden in Konzentrationslagern unterzubringen. Im November 1943 war das Rigaer Ghetto weitgehend geräumt. Insgesamt wurden etwa 25 000 Menschen jüdischer Abstammung nach Riga verschleppt. Nur wenige überlebten.

Annette Schneider-Solis

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