Blick nach vorn im Zorn
Türkischer Präsident Erdogan verkündete eine Botschaft des Hasses
Istanbul. Es war eine in seinem Sinne perfekte Inszenierung. Am ersten Jahrestag des gescheiterten Putsches war der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan in beinahe jeder Stadt des Landes präsent - mittels überlebensgroßer Portraits. Auch die Staatsflaggenproduktion hatte in den zurückliegenden Wochen Hochkonjunktur.
In Istanbul auf der nun Märtyrerbrücke geheißenen Bosporus-Überquerung, die vor einem Jahr von Putschisten besetzt worden war, trat Erdogan am Samstagabend leibhaftig auf. Vor Hunderttausenden frenetischen Anhängern. All jenen Erdogan kritisch gegenüberstehenden Menschen inner- wie außerhalb der Türkei, die angesichts der tiefen Spaltung im Lande auf eine staatsmännische Geste der Versöhnung ihres Präsidenten gehofft hatten, dürfte allerdings das Blut in den Adern gefroren sein. Erdogans Botschaft war eine des Hasses, der Rache und der kruden Drohungen. Der 15. Juli ist nun Nationalfeiertag in der Türkei.
Angesichts dessen wirkte die Milde von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in seiner Botschaft an den Herrscher in Ankara etwas befremdlich. Mit dem türkischen Präsidenten, so Juncker, pflege er »einen offenen und mitunter sportlichen Austausch«.
Wenigstens blieb Erdogan zu Hause bei der Parlamentssitzung am Sonnabend in Ankara, bei der die Opposition ursprünglich sogar ausgesperrt bleiben sollte, nicht unwidersprochen. Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu kritisierte die Regierung scharf. »Die Justiz wurde zerstört«, zitierte AFP den Chef der Republikanischen Volkspartei. »Statt einer schnellen Normalisierung haben Sie einen bleibenden Ausnahmezustand erschaffen.« Die Opposition warf Erdogan vor, mit seinen Hasstiraden und dem Ausnahmezustand seine Macht auch für die Zukunft zementieren zu wollen. roe Seite 8
Wir sind käuflich. Aber nur für unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen
Mit »Freiwillig zahlen« machen Sie mit. Sie tragen dazu bei, dass diese Zeitung eine Zukunft hat. Damit nd.bleibt.