Kommunen fahren auf Verschleiß

Thüringen: Zahlt das Land zu wenig - oder ist Kleinteiligkeit der Gemeinden das Problem?

  • Lesedauer: 3 Min.

Erfurt. Thüringens Städte, Gemeinden und Kreise stecken immer weniger Geld in Investitionen. Ihre Ausgaben dafür seien von 740 Millionen Euro im Jahr 2010 auf nun 534 Millionen Euro zurückgegangen, sagte der Geschäftsführer des Thüringer Landkreistages, Thomas Budde. »Die Kommunen werden auf Verschleiß gefahren. Für Investitionen fehlt das Geld.« Die Forderung des Landkreistages nach Zahlung einer Investitionspauschale durch das Land sei von der rot-rot-grünen Regierung nicht erfüllt worden. »Das ist enttäuschend für uns«, so Budde.

Der Geschäftsführer einer der beiden kommunalen Spitzenverbände reagierte damit auf den Entwurf des Finanzausgleichsgesetzes, das die jährlichen Zahlungen des Landes an die Kommunen regelt. Er wurde in dieser Woche von Landesinnenminister Holger Poppenhäger (SPD) vorgestellt und soll voraussichtlich Ende August dem Landtag zur Entscheidung vorgelegt werden. Danach sollen die Kommunen 2018 und 2019 jeweils rund 1,97 Milliarden Euro aus der Landeskasse erhalten - laut Minister 66 Millionen Euro mehr im Vergleich zu 2017.

Damit werde die Ausgabensteigerung, die die Kommunen abzudecken hätten, in den nächsten beiden Jahren längst nicht ausgeglichen, sagte Budde. Er bezifferte die Mehrausgaben der Kommunen durch höhere Kosten auf etwa 130 Millionen Euro jährlich. Letztlich müssten die Kommunen bei Investitionen knapsen.

Der kommunalpolitische Experte der LINKEN im Thüringer Landtag, Frank Kuschel, sprach ebenfalls von einer Investitionsschwäche der Kommunen. Trotz seit Jahren steigender Einnahmen und Ausgaben würden die Investitionen zurückgehen. »Dadurch entsteht zwangsläufig ein Investitionsstau.« Die Infrastruktur werde schlechter. Im Gegensatz zu den kommunalen Spitzenverbänden sieht Kuschel die Ursache dafür jedoch in der Kleinteiligkeit der Thüringer Kommunen. Derzeit gibt es nach Zahlen des Innenministeriums 709 Gemeinden mit weniger als 3000 Einwohnern im Land. »Wir brauchen dringend eine Verwaltungsoptimierung durch eine Gebietsreform«, sagte Kuschel. Bei einer effizienteren Verwaltung könnte Geld in Investitionen umgeschichtet werden. Nach dem jetzt vorliegenden Urteil des Verfassungsgerichts und auch angesichts der anstehenden Pensionierungswelle in der öffentlichen Verwaltung Thüringens sollte die Chance auf eine große Strukturreform nicht ungenutzt bleiben, so Kuschel. »Rechtlich wäre eine Gebietsreform noch umsetzbar, wenn wir spätestens im September in das Gesetzgebungsverfahren einsteigen«, so Kuschel.

Neue Kreisstrukturen müssen vor der turnusmäßigen Neuwahl der Landräte im kommenden Jahr geschaffen sein. Ihre Amtszeit läuft Mitte 2018 aus. Wenn noch in den alten Kreisstrukturen gewählt würde, wäre eine Kreisreform eigentlich nicht vor Ende ihrer Amtszeit 2024 möglich. Die Regierungskoalition von LINKE, SPD und Grünen will nach Angaben von Innenminister Poppenhäger Mitte August über Tempo und Umfang des derzeit ruhenden Reformprojekts entscheiden.

Kuschel sieht im neuen Finanzausgleichgesetz auch einen Anreiz für Kommunen, sich zu größeren Gemeinden und Städten zusammenzuschließen. Nach einem Gutachten im Auftrag des Innenministerium haben mittlere Städte mit 10 000 bis 50 000 Einwohnern einen höheren Finanzbedarf als bisher. Sie sollen ab 2018 zwischen drei und zehn Prozent höhere Zuschüsse pro Einwohner vom Land erhalten als bisher. dpa/nd

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