Polen: Regierung will Justizreform durchsetzen

Ministerpräsidentin Szydlo kündigt an, nicht »dem Druck der Straße« nachzugeben / Auch am Montagabend Protest Tausender

  • Bernard Osser, Warschau
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach dem Veto von Polens Präsident Andrzej Duda gegen die Justizreform hat die Regierung ein Einlenken abgelehnt. »Wir werden dem Druck nicht nachgeben«, sagte Ministerpräsidentin Beata Szydlo am Montagabend. »Wir werden unseren Plan umsetzen.« Duda hatte sich mit seinem Veto im Streit um den Umbau des polnischen Justizsystems gegen die regierende PiS-Partei und damit gegen sein eigenes politisches Lager gestellt.

Duda begründete sein Veto nach tagelangen Massendemonstrationen und der Drohung der EU-Kommission mit Entzug des polnischen Stimmrechts auf europäischer Ebene mit dem Erhalt des inneren Friedens in Polen. Ministerpräsidentin Szydlo wies diese Argumentation zurück. »Wir können dem Druck der Straße und aus dem Ausland nicht nachgeben«, sagte sie und stellte sich damit gegen tausende Menschen, die auch am Montagabend erneut demonstrierten.

Das Veto des Präsidenten werde »die Reformarbeiten verlangsamen«, kritisierte Szydlo. Die PiS sei bereit zu Diskussionen über die Details, fügte sie hinzu. »Aber diese Diskussionen können nicht dazu führen, dass die Reform zum Stillstand kommt.«

Duda hatte zuvor in einer TV-Ansprache gesagt: »Ich möchte nicht, dass sich die Lage verschlechtert.« Dies stärke »die Spaltung in der Gesellschaft.« Es gebe nur ein Polen - »Polen braucht Frieden und ich fühle mich als Präsident dafür verantwortlich«, fügte Duda hinzu.

Es stehe nicht in der Justiztradition des Landes, dass der Generalstaatsanwalt auf die Arbeit des Obersten Gerichtshof Einfluss nehme, wie es das neue Gesetz vorsehen, sagte Duda. Zwar sei die Reform des Justizwesens notwendig, sie müsse aber in Übereinstimmung mit der Verfassung stehen.

»Ich habe entschieden, das Gesetz zum Obersten Gerichtshof und das Gesetz zum Landesrichterrat zurück ins Parlament zu schicken und damit mein Veto einzulegen«, sagte Duda weiter. Um die Gesetze nun dennoch in ihrer jetzigen Form durchzubringen, wäre eine Drei-Fünftel-Mehrheit im Parlament notwendig, über welche die rechtsnationale PiS nicht verfügt. Duda kündigte zudem in den kommenden beiden Monaten eigene Gesetzesentwürfe zu der Reform an.

Beide Parlamentskammern in Warschau hatten zuletzt den Gesetzentwurf verabschiedet, mit dem der Oberste Gerichtshof des Landes unter Regierungskontrolle gestellt werden soll. Zudem sollte das von der PiS beherrschte Parlament künftig über die Besetzung des Landesrichterrats entscheiden.

Die EU-Kommission hatte Warschau zuletzt mit Sanktionen gedroht, die bis zum Entzug von Stimmrechten auf europäischer Ebene führen könnten. Anfang 2016 hatte sie bereits ein Verfahren zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit in Polen eingeleitet.

Der Friedensnobelpreisträger und frühere polnische Präsident Lech Walesa sagte, er sei »angenehm überrascht« von der Entscheidung Dudas. Die Bürger seien »aufgewacht«. Nun müssten die erforderlichen Schritte unternommen werden, um die amtierende Regierung »vom falschen Weg abzubringen oder zu ersetzen«.

Der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber, reagierte zurückhaltend. Dudas Entscheidung sei ein »Etappensieg«, aber »kein Grund zur Entwarnung«, sagte der CSU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Änderungen an den Justizgesetzen in Polen müssten »das Prinzip der Unabhängigkeit der Justiz umfänglich gewährleisten.«

Ein Sprecher der EU-Kommission kündigte an, die jüngsten Entwicklungen in Warschau würden in Brüssel am Mittwoch besprochen. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), sagte, die Europäer könnten auf die polnische Zivilgesellschaft »stolz sein«. Sie habe »schon seit Jahren mutig und entschlossen Flagge gezeigt«, sagte Roth der »Welt« (Dienstagsausgabe). AFP/nd

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal