Hass soll künftig Steuern kosten

Die Politik sucht neue Wege, um auf Nazi-Konzerte zu reagieren

  • Sebastian Haak
  • Lesedauer: 4 Min.

Es geht es nicht nur um die geschichtsklitternde Glorifizierung des dunkelsten Kapitels der deutschen Vergangenheit, wenn die »Sturmwehr« auftritt. Das will die Band aus Gelsenkirchen am Samstag im südthüringischen Themar tun. Mögen auf den Alben der Band noch so viele Wehrmachtssoldaten in Heldenpose prangen: Das Geschichtsbild, das die Band wie andere Rechtsrock-Gruppierungen darüber hinaus vermittelt, ist für die Ideologie von Rechtsextremen von großer Bedeutung. Immer, wenn rechtsextreme Bands bei Konzerten auftreten, geht es um viel mehr.

Langjährige Szenebeobachter wie der stellvertretende Leiter der Thüringer Landeszentrale für politische Bildung, Peter Reif-Spirek, weisen immer wieder darauf hin, dass Rechtsrock-Konzerte Rechtsextreme aus ganz verschiedenen Regionen Gelegenheit bieten, »Momente der Gemeinschaftserfahrung« zu erleben.

Das ist für die Rechtsextremen insofern besonders wichtig, weil sie so erleben, dass es nicht nur im Internet Gleichgesinnte gibt. In der analogen Welt schlägt ihnen oft viel Verachtung entgegen. Auf Konzerten dagegen sehen sie, dass es Menschen wie sie gibt; Typen, die - jedenfalls auf solchen Veranstaltungen - ihren menschenverachtenden Glauben offen leben. Und dass sie viele sind. Weshalb gerade große Hass-Festivals für die Szene bedeutsam sind. Sie sind also als Machtdemonstration zu verstehen, die nach innen wie nach außen funktioniert.

Eng verbunden damit ist, dass diese »Momente der Gemeinschaftserfahrung« für Neonazi-Kader aus dem gesamten europäischen Raum auch eine Gelegenheit sind, sich persönlich auszutauschen, Kontakte untereinander zu festigen und möglicherweise Aktionen zu planen. Selbst im digitalen Zeitalter ist das persönliche Gespräch als beste Form der zwischenmenschlichen Kommunikation durch nichts zu ersetzen. Das gilt auch am ganz rechten Rand der Gesellschaft.

Zweitens, sagt Reif-Spirek (und andere Szenebeobachter sehen das ebenso), sind die Konzerte »eine Einstiegsdroge und ein absolut niedrigschwelliges Angebot« gerade für junge Menschen. So könnten Jugendliche im Sinne der extremen Rechten polarisiert werden.

Drittens freilich haben derartige Großveranstaltungen auch eine ganz profane Bedeutung für Rechtsextreme. Für die Szene im Allgemeinen ebenso wie auch für die Veranstalter der Konzerte selbst. Sie dienen der Geldbeschaffung. Weshalb gilt: Je größer das Konzert, desto besser. Weil sich mit einer einzigen Veranstaltung viel Geld einnehmen lässt.

Die Thüringer Landtagsabgeordneten Madeleine Henfling (Grüne) und Katharina König-Preuss (LINKE) haben nach dem Rechtsrock-Konzert in Themar Mitte Juli mit etwa 6000 rechtsextremen Besuchern darauf hingewiesen, dass dieses Festival alleine durch Eintrittsgelder in Höhe von 35 Euro pro Person einen Umsatz in Höhe von etwa 210 000 Euro gebracht hat. Geld, von dem teilweise die Bands leben, die Veranstalter, die Ordnungsdienste - und mit dessen Hilfe es auch möglich ist, den rechtsextremistischen Versandhandel aufzubauen, Neonazi-Webseiten zu hosten oder Transparente und Fahnen für die nächsten Aufmärsche zu drucken. Nicht eingerechnet in die 210 000 Euro ist das Geld, das in Themar vor etwa zwei Wochen durch den Verkauf von CDs, T-Shirts, Bratwürsten und Bier eingenommen worden ist.

Angesichts dieser großen Bedeutung von Neonazi-Konzerten für die extreme Rechte hat das demokratische Deutschland bislang erschreckend wenige Antworten darauf gefunden, wie ihnen effektiv zu begegnen wäre. Protest aus der Zivilgesellschaft heraus - wie es ihn vor zwei Wochen in Themar tatsächlich und breit gegeben hat - hält die Neonazis nicht davon ab, sich selbst und ihren Hass zu feiern.

Im Gegenteil: Auf dem Weg vom Parkplatz zum Festivalgelände hatten zahlreiche Rechtsextreme sogar Gegendemonstranten verhöhnt. Manche von ihnen hatten den Protestierenden zugewunken. Andere Neonazis zeigten ihren Hintern. Wieder andere gestikulierten mit dem Mittelfinger. Immer im Bewusstsein, dass der Protest sie am Ende nicht von ihrem Festival abhalten kann. Zwei Verwaltungsgerichte hatten es unter den Schutz der grundgesetzlich garantierten Versammlungsfreiheit gestellt. Dass Verwaltungsgerichte von dieser Praxis abrücken werden, ist angesichts der gefestigten Rechtsprechung im Versammlungsrecht ziemlich unwahrscheinlich.

Wenn überhaupt, so ist den rechtsextremen Konzerten deshalb vor allem über das Thema Geld beizukommen - also darüber, dass die Steuerbehörden alle Einnahmen prüfen und versteuern lassen und so einen Teil der Gewinne abschöpfen. Das macht solche Konzerte weniger attraktiv.

Unabhängig davon, dass diese Einnahmen regelmäßig als »Spenden« deklariert werden. Auch ein Rechtsgutachten, das jüngst im Auftrag der Grünen-Fraktion im Thüringer Landtag erstellt worden ist, kommt zu diesem Ergebnis; gestützt auf ein vielleicht wegweisendes Urteil des Finanzgerichts Thüringen aus dem Jahr 2015. Damals hatten die Richter entschieden, dass auf Einnahmen aus einem Neonazi-Konzert im Jahr 2009 mit mehreren Tausend Teilnehmern Körperschaftssteuer, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer anfallen. Das Urteil ist rechtskräftig.

Immerhin: Aus dem Thüringer Finanzministerium heißt es nun auch, man gehe davon aus, dass die Einnahmen aus dem 6000-Besucher-Hass-Konzert in Themar vor etwa zwei Wochen voll zu versteuern seien.

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