Fanszene mit Gewaltproblem

215 Personen aus dem Umfeld des FC Energie Cottbus sind gewaltbereit oder sogar -suchend

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 4 Min.

Insgesamt 215 Personen aus dem Fan-Umfeld des Fußballregionalligisten Energie Cottbus sind potenziell gewalttätig. Personen, die ganz gezielt auf Gewalt aus sind, machen in den einzelnen Gruppierungen etwa ein Viertel der Mitglieder aus. Zu dieser Einschätzung sind Brandenburgs Sicherheitsbehörden gelangt.

Im Einzelnen gelten nach Angaben des Innenministeriums in Potsdam 155 Personen aus dem Umfeld der Fan-Szene von Energie Cottbus als »gewaltbereit«, 60 weitere Personen seien sogar »gewaltsuchend«. Der Fußballverein selbst habe gegen 47 dieser Cottbuser »Fans« Stadionverbote verhängt. Diese Angaben gehen aus der Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Fraktion im Landtag hervor. Die innenpolitische Fraktionssprecherin, Ursula Nonnemacher, hatte am Mittwoch darüber die Presse informiert.

Wie es in der Mitteilung der Fraktion hieß, habe man die Anfrage gestellt, nachdem Medien über Gruppierungen wie »Inferno Cottbus« und »Unbequeme Jugend Cottbus« im Umfeld der Fanszene berichtet hatten, »die ein ›Klima der Angst‹ bei friedlichen Fans verbreitet haben sollen und mit rechtsextremen Netzwerken in der Lausitz verquickt sind«.

In den Fokus der Öffentlichkeit waren die Cottbuser Fan-Szene und ihre Vernetzung mit rechtsextremen und gewaltbereiten Milieus Ende April 2017 gerückt. Beim Viertligaspiel des SV Babelsberg 03 gegen Energie Cottbus war es am 28. April im Babelsberger »Karl-Liebknecht-Stadion« zu Krawallen und gewaltsamen Auseinandersetzungen gekommen. Es gab 19 Strafanzeigen - 14 gegen Cottbuser und fünf gegen Babelsberger Fans. Der SV Babelsberg 03 wies die Schuld Cottbus-Anhängern zu. In einer Erklärung beklagte der Verein »Übergriffe aus dem Cottbusser Gästeblock«, »massive Vermummung« sowie »volksverhetzende und menschenverachtende Artikulationen«.

In der Antwort der Landesregierung heißt es dazu: »Unter anderem im Kontext der Spielbegegnung SV Babelsberg gegen FC Energie Cottbus vom 28. April 2017 wurde deutlich, dass Fußballspiele des FC Energie Cottbus durch teils rechtsextremistisch orientierte Personen besucht werden und es zu entsprechenden Straftaten kommt. Zudem besteht die Fanszene teilweise aus Personen einer örtlichen Kickboxer- beziehungsweise Rockerszene, auf die unter anderem örtliche Sicherheitsdienste zurückgreifen.« Zugleich sieht die Regierung inzwischen »fortgesetzte Bemühungen« des Vereins und auch der Stadt Cottbus, »dass Störungen durch diese Personen unterbunden werden«. Gewürdigt wird in diesem Zusammenhang die begonnene Zusammenarbeit mit dem »Cottbuser Aufbruch e.V.«, einem 1999 gegründeten »Aktionsbündnis für ein gewaltfreies tolerantes Miteinander«.

Der »Cottbuser Aufbruch« hat nach Einschätzung von Bettina Handke vom Büro des Aktionsbündnisses die Fan-Szene des Fußballvereins seit langer Zeit im Blick. Man habe viele Anläufe gebraucht, um mit dessen Vertretern ins Gespräch zu kommen. »Mitte Juni hat ein Gespräch zwischen Vertretern unseres Bürgerbündnisses und des FC Energie Cottbus stattgefunden. Die Moderation lag in den Händen des mobilen Beratungsteams«, sagt sie dem »nd«. Der Verein habe sich dabei von der rechtsextremistischen Gruppe »Inferno Cottbus« aus dem Fan-Milieu distanziert und wolle künftig mit dem »Cottbuser Aufbruch« zusammenarbeiten. Bis September wolle sich der FC Energie Cottbus Zeit nehmen, um sich über ihren künftigen Umgang mit der eigenen Fan-Szene klar zu werden. »Ich hoffe, auch weil ich eine leidenschaftliche Cottbuserin bin, dass dort das Problem jetzt ernsthaft angepackt wird«, sagte Bettina Handke.

Ursula Nonnemacher verwies darauf, dass im jüngsten Verfassungsschutzbericht vor einer hochgradig gewaltorientierten rechtsextremistischen Szene aus »Neonazis, Rocker, Angehörige des Bewachungsgewerbes, Kampfsportler, Hass-Musiker und eben auch Hooligans« im Raum Cottbus gewarnt werde. »Das ist eine ganz unheilvolle und gefährliche Szene, die auch Fußballspiele für ihre Zwecke missbraucht«, sagte sie. Es müsse sichergestellt werden, dass die Fußballvereine Rechtsextremen die Stadien nicht als Bühne überlassen. Dafür seien langfristig angelegte Fanprojekte wichtig. »Echte Fußballfans müssen gestärkt werden. Jugendsozialarbeit kann zudem erreichen, das gefährdete Jugendliche nicht in die rechtsextreme Szene abrutschen.«

Die Polizei unterscheidet zwischen friedlichen, gewaltbereiten und gewaltsuchenden Fußballfans. In Cottbus haben die Behörden sechs Fangruppierungen identifiziert. Im Zusammenhang mit den Babelsberger Krawallen war die rechtsextreme Gruppe »Inferno Cottbus« ins Visier des Staatsschutzes geraten und hatte sich im Mai aufgelöst. Allein diese vor 18 Jahren gegründete Gruppe hatte nach Behördenangaben 35 gewaltbereite Mitglieder und 20 gewaltsuchende rechte Schläger in ihren Reihen.

Innenexpertin Nonnemacher hat sich zu Wochenbeginn mit Vertretern von Energie Cottbus getroffen. »Mein Eindruck ist, dass inzwischen Problembewusstsein bei dem Verein eingekehrt ist und der Wille besteht, Verantwortung zu übernehmen«, sagte sie. Die Vereine selbst müssten ihr Hausrecht wahrnehmen: wer rassistisch und antisemitisch hetze oder gewalttätig werde, dem müsse man auch im Stadion die rote Karte zeigen.

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