Polystyrol: Was ist das? Und ist es gefährlich?

Fragen & Antworten zum Brandschutz

  • Lesedauer: 4 Min.

Viele wärmegedämmte Häuser haben Polystyrol an den Außenwänden. Woher kommt der Stoff? Und wie oft brennen Fassaden? Was hat es mit dem Stoff auf sich?

Was ist Polystyrol?

Der Kunststoff wird aus der giftigen Flüssigkeit Styrol gewonnen. In einer chemischen Reaktion schließen sich Einzelmoleküle zu langen Ketten zusammen - es entsteht festes Polystyrol. Wird dieses durch Treibmittel und heißes Wasser oder Dampf aufgeschäumt, spricht man von Expandiertem Polystyrol (EPS) - auch unter dem Markennamen Styropor bekannt. Generell ist ein Stoff als Schaum leichter brennbar als im festen Zustand. Styropor mit seinen aneinander klebenden weißen Kügelchen besteht zu 98 Prozent aus Luft.

Wo wird es verwendet?

In reiner Form ist der Stoff durchsichtig, spröde und wenig belastbar - aus ihm werden Verpackungen wie CD-Hüllen hergestellt. Deutlich bruchsicherer sind modifizierte Varianten etwa bei Joghurtbechern, Legosteinen oder Bohrmaschinengehäusen. Als Dämmmaterial wird Polystyrol in der Regel als Hartschaum genutzt. Es ist druckfest und wasserabweisend, einfach zu bearbeiten und eignet sich gut zur Schall- und Wärmeisolierung. Der Stoff war wohl unter anderem am Londoner Grenfell Tower angebracht.

Seit wann gibt es die Stoffe?

Styrol wurde 1831 beim Erhitzen von Styrax, einem Baumharz, entdeckt, entsteht aber auch bei der Verkokung von Stein- und Braunkohle. Bei der heutigen Produktion wird die Flüssigkeit aus Erdöl gewonnen. Polystyrol wird erstmals 1839 beschrieben, allerdings nimmt erst um 1930 die damalige I.G. Farben in Ludwigshafen die Produktion auf.

Schaumpolystyrol wurde bei BASF entwickelt und kam in den 1950er Jahren unter dem Markennamen Styropor auf den Markt. Heute gehört es zu den wichtigsten Dämmstoffen. Experten vom Karlsruher Institut für Technologie unterstreichen seine sehr guten Dämmeigenschaften, andere Materialien seien häufig weniger energieeffizient - auch in der Herstellung.

Wie viel Polystyrol wird an Häusern in Deutschland verbaut?

In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen im Bundestag schreibt das Bundesumweltministerium 2015, dass »Dämmstoffe aus Styropor einen Marktanteil von 50 Prozent halten«. Der Verband Privater Bauherren teilt mit, dass nach seiner Erfahrung vier von fünf Neubauten mit Polystyrol-Dämmungen versehen werden.

Wie sehen die Brandschutzregeln hierzulande aus?

Brandschutz ist Aufgabe der Bundesländer, aber die Verordnungen für Hochhäuser sind in Deutschland ziemlich einheitlich. Polystyrol darf nur bei Gebäuden bis maximal 22 Metern Höhe verbaut werden. Bei höheren Häusern ist der ausnahmslose Einsatz nicht-brennbarer Werkstoffe zwingend. Das haben die Bauminister der Länder in der Musterrichtlinie für Hochhäuser von 2008 festgelegt.

Ist an Deutschlands Hochhäusern also alles sicher?

Ja, sagen Experten - wenn alle Regeln befolgt werden. Es gibt ältere Häuser und Gebäude, die niedriger sind als 22 Meter - Mietshäuser mit mehreren Etagen. Da gelten die Vorschriften nicht, und Polystyrol-Hartschaum kommt häufig zum Einsatz. Das Material ist teurer und deshalb nicht so beliebt.

Ist Polystyrol als Dämmmaterial an Häusern gefährlich?

Da gibt es unterschiedliche Meinungen. Fängt Polystyrol Feuer, brennt es mit leuchtender und stark rußender Flamme. In Deutschland wird allerdings Hartschaum eingesetzt, dessen Entzündbarkeit durch die Zugabe von Schutzmitteln weit herabgesetzt ist. Er wird als schwer entflammbar eingestuft. Daneben gibt es oft feuerfeste Fensterstürze oder Brandriegel aus nicht-brennbarem Material an den Fassaden. Der Interessenverband der Hartschaumhersteller sieht keine erhöhte Brandgefahr. Der Eigentümerverband Haus und Grund warnt nach eigenen Angaben seit Jahren, dass Polystyrol lebensgefährlich sein könne.

Wie häufig kommt es zu Bränden in Verbindung mit der Dämmung?

Die Feuerwehr Frankfurt am Main listet bundesweit seit Anfang 2015 knapp drei Dutzend Brände in Verbindung mit Dämmsystemen auf. Im Vergleich: Der Gesamtverband der deutschen Versicherer schätzt 2015 die Zahl der Wohnungsbrände auf rund 230 000. Besonders verheerend war ein Fassadenbrand in Duisburg im Mai 2016, bei dem sich ein Feuer aus dem Erdgeschoss eines viergeschossigen Hauses über die Außenwand nach oben schlug - drei Menschen starben in der Dachwohnung. Jedoch waren nach damaligen Medienberichten die Bauvorschriften bei der Dämmung eingehalten worden.

Deutsche Brandschutzorganisationen zählen seit 2012 mehr als 90 Fälle im Zusammenhang mit Polystyrolfassaden - mit insgesamt 11 Toten und 124 Verletzten. dpa/nd

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