Neuer Mammutprozess in Türkei

Fast 500 Angeklagte müssen sich vor Gericht verantworten

  • Lesedauer: 2 Min.

Ankara. In der Türkei hat am Dienstag ein neuer Mammutprozess zu dem gescheiterten Militärputsch vor einem Jahr begonnen. Fast 500 Personen sind vor einem Gericht bei Ankara des versuchten Sturzes von Präsident Recep Tayyip Erdogan angeklagt. Die Beschuldigten müssen sich speziell wegen der Ereignisse auf dem Luftwaffenstützpunkt Akinci verantworten, von dem aus der Putschversuch koordiniert worden sein soll.

Der Prozess fand unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen in einem speziell erbauten Gerichtssaal des Gefängnisses von Sincan statt. Bei ihrer Ankunft wurden die Angeklagten von einer aufgebrachten Menge empfangen. Die Zuschauer beschimpften die Angeklagten, die jeweils von zwei Polizisten ins Gericht geführt wurden, und riefen: »Märtyrer sterben nicht, die Nation wird nicht gespalten werden!« Einige Demonstranten warfen auch Henkersknoten nach den Angeklagten und riefen, »wir wollen die Todesstrafe« und »ihr alle werdet bezahlen«. Auf Bannern der Regierungspartei AKP wurde zudem gefordert, dass die Angeklagten vor Gericht eine Uniform tragen. Bei einem früheren Prozess hatte ein mutmaßlicher Putschistenführer mit einem T-Shirt mit der Aufschrift »Held« für Empörung gesorgt.

Von den insgesamt 486 Angeklagten sind 18 auf freiem Fuß und sieben flüchtig. Unter den Beschuldigten, denen in Abwesenheit der Prozess gemacht wird, sind auch der islamische Prediger Fethullah Gülen und der Theologiedozent Adil Öksüz. Gülen soll der Drahtzieher des Umsturzversuchs vom 15. Juli 2016 gewesen sein, während Öksüz in der Putschnacht auf der Akinci-Basis das Kommando geführt haben soll.

Öksüz, der der sogenannte Imam der Gülen-Bewegung für die Luftwaffe gewesen sein soll, war am Morgen des 16. Juli in der Nähe des Stützpunkts festgenommen worden, wurde jedoch kurz darauf wieder freigelassen. Gülen, der seit Jahren im Exil in den USA lebt, bestreitet jede Verwicklung in den versuchten Staatsstreich gegen seinen langjährigen Verbündeten und heutigen Erzfeind Erdogan.

Auch angeklagt sind auch der Ex-Luftwaffenkommandeur General Akin Öztürk und der Geschäftsmann Kemal Batmaz, die eine führende Rolle beim Putschversuch gespielt haben sollen. Viele der Angeklagten sind auch in anderen Prozessen angeklagt. Bereits im Februar und im Mai hatten in demselben Gerichtssaal zwei Verfahren gegen hunderte mutmaßliche Putschisten begonnen.

Derweil reagierte die Türkei erbost auf Vorwürfe der USA, sie habe Qaida-nahe Rebellengruppen in der nordsyrischen Provinz Idlib unterstützt. Der türkische Präsidentensprecher Ibrahim Kalin bezeichnete es am Dienstag als »inakzeptabel«, die Türkei in Verbindung mit dieser »Terrororganisation« in Idlib zu bringen. Die Provinz werde nicht von der Türkei »kontrolliert«. AFP/nd

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