»Die Weddingers« sind da

Superheldenparodie im Prime-Time-Theater

  • Lucia Tirado
  • Lesedauer: 2 Min.

Welche Superhelden braucht Berlin? Einen, der Hundehaufen in BVG-Fahrkarten verwandeln kann, wünscht sich ein Mann in die Kamera. Das Prime-Time-Theater war auf Meinungsforschungstour. In seiner Parodie auf USA-Superhelden-Blockbuster sind etliche Berliner Wünsche per Video untergebracht.

Menschen brauchen Helden. Keine da. Die fiktiven müssen her, um die Sehnsucht zu stillen. Doch nun gibt es »Die Weddingers« aus Fleisch und Blut. Sie scheuen keine Mühe, die Berliner vor einem Superschurken zu retten. Neue Figuren musste das Theater dafür nicht erfinden. »Normale« Helden der Theater-Sitcom »Gutes Wedding, schlechtes Wedding« (GWSW) schaffen das auch.

Fräulein Magdalena Schorf von der Lebensmittelkontrolle (Cynthia Buchheim) enttarnt sich als Rote Witwe, als sie entdeckt, dass Ahmed Ölgur (Daniel Zimmermann) als Ayran-Man Stärken besitzt. Der tollpatschige Volker (Robert F. Martin) wird der unglaubliche Volk. Emily (Noémi Dabrowski) lässt als Emo-Girl Zorn aufblitzen. Kommissar Hein Hinnark Hannsen (Philipp Lang) wurde als Thür, der Gott des Mistwetters, vom Göttervater auf die Erde delegiert, um zu helfen. Nee, eigentlich, um ein Glas Spreewaldgurken zu holen. Am Ende vergisst er den Auftrag von oben - und muss zur Strafe unten bleiben. Lang schrieb das Stück und für sich die himmlische Rolle. Als Superheldenanführer mit Herz bleibt - weil Superheldenanführer beachtliche Körperformen aufweisen müssen - Postbote Kalle Witzkowski (Oliver Tautorat).

Der Konformist muss besiegt werden. Die dunkle Gestalt will nicht zum ersten Mal alle Berliner in Gesichtslose ohne eigenes Denken umwandeln. Wie an dieser Bühne üblich, geschieht das grotesk übertrieben. Aber alles mündet in einer klaren politischen Aussage, ohne sie zu deklamieren. Die Botschaft, sich nicht von populistischen Sprüchen den Geist vernebeln zu lassen oder Verhaltensmuster einer Ratte von Hameln anzunehmen, ist schwerlich zu übersehen. Wie es in dieses Theater passt, ist das Thema auf eigenwillige Art gebrochen und dicht inszeniert von Alexandra Marinescu und Philipp Hardy Lau. Besonderheit sind Finessen über die Rückprojektionswand, für die Marc Poritz sorgte.

Mit der von der Lotto-Stiftung unterstützten Sonderproduktion neben der laufenden GWSW-Folge 111 hilft das Theater dem Weddinger Verein Kiezbezogener Netzwerkaufbau (KbNa), in dem sich Jugendhilfe, Polizei und 26 weitere lokale Akteure im Soldiner Kiez zur Gewaltprävention engagieren. Initiator war die Polizeidirektion 3, Abschnitt 36. Zu der bunten Mischung gehören Jugendtreffs, Musikgruppen, religiöse Vereine und Flüchtlingsunterkünfte. Fußballspiele mit Polizisten sind Programm. Mit jedem Superheldenwunschvideo aus dem Theaterfoyer geht bis zum 3. September eine Spende an KbNa. Die schönsten Videos stammen natürlich von Kindern. Sie setzen die Superheldenarbeitsschwerpunkte.

Nächste Vorstellungen vom 3. bis zum 5.8. im Prime-Time-Theater, Müllerstr. 163, Wedding

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