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Das besonders dicht besiedelte Rhein-Main-Gebiet hat in diesem Sommer erneut große Probleme mit der Bahn

  • Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden
  • Lesedauer: 3 Min.

Betriebsstörungen und Ausfälle von Bahnen und Bussen wie jüngst in Hessen sind seit Jahren in Stadt und Land ein Aufreger. Sie sind eine regelmäßige Begleiterscheinung der zunehmenden Liberalisierung und Privatisierung im öffentlichen Personennahverkehr. Im Rhein-Main-Gebiet rund um die Bankenmetropole Frankfurt wurde in den vergangenen Wochen der Taktfahrplan für mehrere S-Bahn-Linien erheblich ausgedünnt. Hintergrund der Ausfälle war nach Angaben der zuständigen Deutschen Bahn (DB) seit Ende Juli ein hoher Krankenstand bei den Triebfahrzeugführern.

Da die Personalreserve über die Jahre immer kleiner geworden ist, kommt dieser Zustand für die Bahngewerkschaften nicht überraschend: »Der Personalbestand ist auf Kante genäht. Wir haben diesen Missstand mehrfach beklagt«, so Uwe Reitz von der DGB-Gewerkschaft EVG. »Seit Jahren ist auf Teufel komm raus am Personal gespart und nicht ausgebildet worden. Die 2016 angekündigte Einstellung von 1400 LokführerInnen der DB kompensiert gerade mal die altersbedingten Abgänge«, so Norbert Quitter von der Lokführergewerkschaft GDL.

Dem Vernehmen nach war der Krankenstand Ende Juli mit 40 von insgesamt 460 Angestellten doppelt so hoch wie im langjährigen Durchschnitt. Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) und DB gehen davon aus, dass sich die Situation mit dem Ende der Schulferien in Hessen zu Beginn der kommenden Woche entspannt und - zumindest der Personallage nach - wieder ein reibungsloser Betriebsablauf möglich wird. Die Lage war in den vergangenen Tagen zusätzlich durch eine Weichenstörung am Frankfurter Hauptbahnhof und schwere Unwetter verschärft worden. Umgestürzte Bäume blockierten zeitweilig mehrere Strecken.

Chronische Personalknappheit und ein hoher Krankenstand hatten schon in früheren Jahren den Bahnverkehr gerade im Rhein-Main-Gebiet beeinträchtigt. So wurde der Betrieb im Mainzer Hauptbahnhof, einem auch für den bundesweiten Verkehr wichtigen Knotenpunkt, bereits im Sommer 2013 wochenlang weitgehend gelähmt. Auslöser war damals ein hoher Krankenstand und akuter Personalmangel im örtlichen Stellwerk, der aufgrund der geforderten Spezialkenntnisse der Fahrdienstleiter nicht einfach durch rasch »eingeflogenes« Personal ausgeglichen werden konnte. Schon damals prangerte die EVG eine »vom Rotstift geprägte Personalpolitik« der DB an. Pleiten, Pech und Pannen gab es auch bei der neu eingesetzten Privatbahn Vlexx in der Region zwischen Mainz, Bad Kreuznach und dem Saarland. Ähnliche Probleme wurden auch aus anderen Bundesländern gemeldet.

Gewollt und langfristig geplant ist dagegen ein Stellwerksausfall, der in diesen Wochen den Bahnverkehr durch die rheinisch-bergische Metropole Wuppertal (Nordrhein-Westfalen) lähmt. Hier richtet die DB seit Mitte Juli mit Hochdruck für 32 Millionen Euro ein modernes elektronisches Stellwerk ein und stattet die Strecken mit digitaler Leit- und Sicherheitstechnik aus. Weil 387 Signale aufgestellt, 98 Weichen angeschlossen und 374 000 Meter Kabel verlegt werden müssten, sei ein Bahnbetrieb während der Arbeiten nicht möglich, so die DB.

Bis Ende der Sommerferien am 29. August soll das Projekt abgeschlossen sein. Züge des Regionalverkehrs in Richtung Wuppertal enden bis dahin in Wuppertal-Oberbarmen, Solingen, Velbert oder Düsseldorf. Fernverkehrszüge zwischen Dortmund/Hamm und Köln werden durch das Ruhrgebiet umgeleitet. Reisende von und nach Wuppertal müssen vorerst auf das Auto beziehungsweise auf Ersatzbusse umsteigen, im innerstädtischen Verkehr auch auf die berühmte Schwebebahn.

Mit Abschluss der Arbeiten, so verspricht die Bahn, sollen sich Leistung und Effizienz des Bahnverkehrs durch das Tal der Wupper erhöhen, weil dann »zusätzliche Fahrmöglichkeiten zwischen den Fern- und Nahverkehrsgleisen sowie neue Umfahrungsmöglichkeiten« bestünden.

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