Wenn der Chef am Küchentisch sitzt

Florian Haenes über den Wert von arbeitsfreien Rückzugsorten

  • Lesedauer: 1 Min.

Wer im Home-Office arbeitet, kann am Abend nicht abschalten. Das ist naheliegend. Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung bestätigt es. Trotzdem fordern Gewerkschaften ein »Recht auf Home-Office«. Sie öffnen Arbeitgebern damit die Wohnungstür der Beschäftigten. Dabei müssten gerade Gewerkschaften verhindern, dass Unternehmen in die Privatsphäre der Beschäftigten eindringen. Die richtige Gewerkschaftsforderung müsste lauten: Heimarbeit verbieten.

Nun könnte man Beschäftigte, die im Home-Office arbeiten, auch durch ein »Recht auf Nichterreichbarkeit« schützen - auch dies ein Vorschlag der Gewerkschaften. Er nährt die naive Hoffnung, dass Arbeitnehmerrechte selbst in einer völlig flexibilisierten Arbeitswelt gewahrt werden können. Doch ein Handy lässt sich mit einem Knopfdruck wieder einschalten. Nur ein garantiert arbeitsfreier Ort ermöglicht den sinnstiftenden Umgang mit Familie, Freunden, nicht zuletzt sich selbst. Das ständige Kalkül des Arbeitenden - warum nicht kurz an den Schreibtisch huschen? - vergiftet diese Augenblicke.

Es ist die Pflicht der Gewerkschaften, sich für die Verteidigung der Rückzugsorte einzusetzen. Auch die Verkürzung der gesetzlichen Arbeitszeit kann die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern. Das Büro muss nicht auf die Privatwohnung ausgedehnt werden.

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