Keine Einigung über den Airport Tegel

Aufsichtsrat soll sich im November mit rechtlichen Folgen eines Weiterbetriebs befassen

Bis in die Nacht hinein saß Brandenburgs Finanzminister Christian Görke (LINKE) in seinem Potsdamer Ressort mit Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und Berlins Finanzsenator Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) zusammen. Görke wollte eine Klarstellung nach Dobrindts Gedankenspielen über eine vielleicht doch mögliche Offenhaltung des Berliner Flughafens Tegel. Denn eigentlich ist die Offenhaltung unmöglich. Falls der neue Hauptstadtflughafen BER in Schönefeld endlich doch noch eröffnet wird, müsste Tegel nach bisherigem Stand dicht gemacht werden.

Eine Parteiversammlung wäre angenehmer gewesen, schmunzelte Görke am Donnerstagmorgen. Denn die Genossen hören auf ihn, so sagt er. Dies sei bei Dobrindt nicht der Fall.

Das Spitzengespräch zur Zukunft des Flughafens Tegel brachte keinen Durchbruch. Der Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft FBB werde sich im November mit den rechtlichen Fragen eines Weiterbetriebs von Tegel befassen, sagte der FBB-Aufsichtsratsvorsitzende Rainer Bretschneider nach der Gesellschafterversammlung in der Nacht zum Donnerstag. Ein weiteres Ergebnis sei, dass sich der Bund und die beiden Länder Berlin und Brandenburg einig seien, dass der gut 20 Jahre alte Beschluss zur Schließung von Tegel nach Inbetriebnahme des Großflughafens in Schönefeld nur gemeinsam geändert werden könne.

Dobrindt hatte unmittelbar vor Beginn der bis kurz nach Mitternacht dauernden Gespräche noch auf einen möglichen Weiterbetrieb von Tegel gepocht. Ein Argument: Seit der Entscheidung zur Schließung von Tegel gebe es viel mehr Passagiere als angenommen. »Ich rate allen dazu, darauf zu reagieren«, sagte Dobrindt vor Journalisten, bevor er sich mit Görke, Kollatz-Ahnen und anderen hinter verschlossenen Türen besprach. Dobrindt hatte in den vergangenen Tagen wiederholt für Tegel geworben. Damit wich er nicht nur von der Haltung der beiden Bundesländer ab, sondern auch von der offiziellen Linie der Bundesregierung.

Die Kapazitäten des BER reichen eventuell nicht aus. Das glauben etliche Flugverkehrsexperten und einige Politiker. Die Genehmigung des Großflughafens war allerdings mit dem Versprechen verbunden, Tegel zu schließen. In Berlin soll am 24. September ein Volksentscheid über den Weiterbetrieb von Tegel stattfinden, der rechtlich allerdings nicht bindend ist.

Bei dem Spitzengespräch nahmen die Politiker auch die Planungen der Flughafengesellschaft zur Erhöhung der Abfertigungskapazitäten am BER zur Kenntnis. Dobrindt sagte dazu, er sehe es sehr positiv, dass die Flughafengesellschaft die Kapazitätsfrage angehe.

Finanzminister Görke betonte wie auch Dobrindt, die Gespräche hätten in einer sehr einvernehmlichen Atmosphäre stattgefunden. »Wir waren bemüht, Egoismen zurückzustellen«, versicherte Görke. Er sehe Möglichkeiten, dass nur ein einziger Flughafen die notwendigen Kapazitäten bereitstellen könne. Finanzsenator Kollatz-Ahnen sagte, die Flughafengesellschaft brauche eine klare Orientierung.

Mit dem anstehenden Volksentscheid wird die Debatte über Tegel in den kommenden Wochen weitergehen. Umfragen sehen gute Chancen, dass die von FDP und CDU unterstützte Volksinitiative eine Mehrheit findet. Der Berliner Senat würde durch den Volksentscheid aufgefordert werden, sich für den Weiterbetrieb von Tegel stark zu machen.

Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup bekräftigte, man habe sich auch aus wirtschaftlichen Gründen für nur einen Flughafenstandort entschieden. Nach Berechnungen der FBB würde ein Doppelbetrieb von zwei Flughäfen jährlich 100 bis 200 Millionen Euro Betriebskosten zusätzlich verschlingen. Außerdem sei für die Sanierung von Tegel eine Milliarde Euro notwendig.

»Ich bin dem Bundesverkehrsminister dankbar dafür, dass er bei seiner Haltung geblieben ist und noch einmal in der gebotenen Sachlichkeit die Notwendigkeit einer Neuausrichtung der Berliner Flughafenpolitik betont hat«, reagierte Berlins CDU-Generalsekretär Stefan Evers.

Für FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja ergab das Spitzentreffen, dass die drei Airportgesellschafter Bund, Berlin und Brandenburg sich über Tegel »nicht mehr einig sind«. Es sei wichtig, so meinte Czaja, dass der Volksentscheid am 24. September »ein unumdeutbar klares Votum für die Offenhaltung Tegels wird«. Auch argumentierte Czaja mit Blick auf die zeitgleiche Bundestagswahl, eine starke FDP-Fraktion sei der beste Anwalt für Tegel.

Berlins Linksfraktionschef Udo Wolf prognostizierte: »Keine Bundesregierung, wie auch immer sie zusammengesetzt ist, wird nach der Bundestagswahl den Konsensbeschluss, den Planfeststellungsbeschluss und die Schließung Tegels in Frage stellen. Denn nach dem Wahlkampf werden auch für eine neue Bundesregierung die rechtlichen und finanziellen Fakten zwingend sein.« Vermutlich würden dann, so fügte Wolf hinzu, die Berliner CDU und ihr Generalsekretär Evers »ihre nächste taktische Wendehalsaktion machen«.

Für Brandenburgs Grünen-Fraktionschef Axel Vogel ist abzusehen, »dass die im November vorliegenden Rechtsgutachten Befürworter und Gegner einer Offenhaltung Tegels in ihrer jeweiligen Haltung bestätigen werden und diese Auseinandersetzung damit auch nicht beenden«. Die Frage sei keine primär rechtliche, sondern eine politische. Das habe auch Verkehrsminister Dobrindt »mit seiner politisch motivierten Hau-Ruck-Forderung nach der Offenhaltung Tegels deutlich gemacht«. Die Schließung der Berliner Flughäfen Tempelhof (beim Start der Bauarbeiten für den BER) und Tegel (nach Eröffnung des BER) sei »Geschäfts- und Genehmigungsgrundlage« für den neuen Hauptstadtflughafen gewesen, erinnerte Vogel. Allen Versuchen, dies im Nachhinein aufzukündigen, treten die Bündnisgrünen »entschieden entgegen«, versprach Vogel.

Harald Moritz, Verkehrsexperte der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, kommentierte: »(Noch)-Bundesverkehrsminister Dobrindt sollte endlich aufhören, Tegel als Wahlkampfunterstützung für CDU, FDP und AfD zu nutzen.«

Ein anderes Motiv Dobrindts machte die Landtagsabgeordnete Anita Tack (LINKE) aus: Der Verkehrsminister habe »von seiner Verantwortung im Dieselskandal« ablenken wollen, urteilte sie. mit dpa

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