Dunkler Wahlkampf

Netzwoche

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 3 Min.

Dass sich die Aussagen von Parteien in Wahlkampfzeiten im Stil sehr ähneln, ist bekannt: Immer geht es um Sicherheit, Zukunft, Familie, um die Angst vor und die Hoffnung auf irgendwas. Dass eine Partei aber sowohl für die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland ist als auch dagegen, dürfte man wohl auf keinem Wahlplakat finden. Im laufenden Wahlkampf sei das im Internet aber erstmals durch den Einsatz sogenannter Dark Ads möglich, schreiben Marcus Engert und Daniel Drepert auf buzzfeed.com. Unter «Dark Ads» versteht man Werbeanzeigen in den sozialen Netzwerken, die nur ganz bestimmte Menschen zu sehen bekommen und deren Inhalt entsprechend der vermuteten politischen Einstellungen der Adressaten formuliert ist.

Eine Partei kann mit Hilfe der «Dark Ads» Anzeigen mit vollkommen unterschiedlichen Botschaften gestalten, schreiben Engert und Drepert. «Junge Frauen in Großstädten, denen bei Facebook eine Fahrradseite gefällt, bekommen vielleicht Wahlwerbung mit der Botschaft, den Diesel abzuschaffen. Mittelalte Männer in Vororten bekommen eher Anzeigen mit dem Versprechen, die deutsche Autoindustrie zu stärken. Zwei widersprüchliche Positionen, die aber von ein- und derselben Partei stammen könnten. Und kaum jemandem würde das auffallen, weil die Anzeigen nur jeweils gegensätzlichen Gruppen angezeigt werden. Bei diesem »dunklen Facebook-Wahlkampf« seien Parteien, die über eine große Wahlkampfkasse verfügen, noch mehr im Vorteil als im analogen Wahlkampf, da für diese Form der Propaganda vergleichsweise wenig Personal benötigt werde. Auch Dritte - wie Unternehmen, Vereine oder reiche Privatpersonen - könnten mit »Dark Ads« auf Facebook eine Partei nach vorne bringen, ohne dass dies der Öffentlichkeit auffallen würde. Erstmals verwendet wurden »Dark Ads« im US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf; sie haben, so Engert und Drepert, auch die Debatte um den Brexit in Großbritannien befeuert.

BuzzFeed News will jetzt gemeinsam mit t-online diese »dunklen Anzeigen« transparent machen. Dafür arbeitet man mit britischen Programmierern zusammen, die eine spezielle App entwickelt haben. Über eine Browser-Erweiterung werden die Anzeigen auf Facebook ausgelesen und analysiert, welche Partei welche Anzeigen für welche Zielgruppe schaltet. Ob das Problem wirklich so groß ist, ist umstritten. Auf sueddeutsche.de zweifelt der Netzexperte Marvin Strathmann daran, dass »Dark Ads« einen großen Einfluss auf den Wahlausgang haben. Er verweist hierbei auf eine ähnliche Meldung, die im vergangenen Dezember die Medien aufschreckte. Damals verkündete die Firma Cambridge Analytica, sie habe durch personalisierte Facebook-Werbung maßgeblich zum Wahlsieg Donald Trumps in den USA beigetragen; auch der Brexit sei mithilfe von »Dark Ads« entschieden worden. Recherchen der »New York Times«, so Strathmann, hätten allerdings den Schluss nahegelegt, dass die auf Datenanalyse spezialisierte Firma eher geschickt Werbung in eigener Sache betrieben habe, als dass sie Trump ins Präsidentenamt verholfen hätte.

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