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Braunkohle sieht schwarz

Klimapolitik bringt Branche in Bedrängnis

  • Hendrik Lasch, Leipzig
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Handel mit Emissionsrechten gefährdet die Braunkohle. Die Branche sieht ihre Wirtschaftlichkeit bedroht. Kritiker frohlocken hingegen, einer der größten Luftverschmutzer werde endlich ökonomisch gezügelt.
Wenn in einer grundsätzlichen Debatte ein Kontrahent mit dem Rücken zur Wand steht, greift er gern zum letzten Strohhalm: Er wirft dem Gegner ideologische Verblendung vor. Bruce de Marcus tat das gestern mehrfach. Das zeigt: Die Lage ist ernst für die Mitteldeutsche Braunkohlen GmbH (Mibrag), die de Marcus leitet, und für die Branche überhaupt. »Man will uns los werden.« Man - das sind die EU-Kommission und die Bundesregierung, die auf Druck aus Brüssel einen strengeren Plan zur Reduzierung klimaschädlicher Emissionen erarbeitet hat. Der neue Nationale Allokationsplan (NAP II) sieht vor, den Ausstoß einiger Klimakiller von 2008 bis 2012 auf 973 Millionen Tonnen zu begrenzen; Industrie und Stromerzeuger erhalten für 456 Millionen Tonnen kostenlose Zertifikate. Zusätzliche Emissionen müssen sie bezahlen. So will Deutschland das Ziel einhalten, bis 2012 den CO2-Ausstoß gegenüber 1990 um 21 Prozent zu senken. Unternehmen, die Braunkohle fördern und verstromen, bangen nun um ihre Wirtschaftlichkeit und sogar Existenz. Investitionen in neue Kraftwerke, so de Marcus, seien »nur noch schwer realisierbar«. Diese dürfen laut NAP II künftig 750 Gramm CO2 je erzeugter Kilowattstunde Strom ausstoßen. Bei modernen Kraftwerken sind es aber 950, bei alten Anlagen weit über 1000 Gramm. Folge: Der EnBW-Konzern hat sich aus dem mit der Mibrag geplanten Neubau eines Kraftwerkes in Profen (Sachsen-Anhalt) bereits verabschiedet. Der in US-Besitz befindliche Kohleförderer, der in Sachsen und Sachsen-Anhalt zwei Gruben betreibt und rund 2000 Menschen beschäftigt, wirft Bund und EU vor, einen wichtigen heimischen Energieträger »verdrängen« zu wollen, um Vorreiter in der Klimapolitik zu werden. Braunkohle deckt derzeit 25 Prozent des Strombedarfs. Sie sei »ein Rückgrat der Energiewirtschaft«, sagt Mibrag-Verkaufsdirektor Maik Simon. Die Bundesregierung bestreitet, der Branche den Garaus machen zu wollen. Braunkohle werde »weiterhin ihren Platz im deutschen Energiemix« haben, sagte Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) kürzlich in einem Interview. Nachdem es bei Zertifikaten zuletzt »großzügige Zuteilungsregelungen« für ostdeutsche Kraftwerke gab, werde der CO2-Ausstoß aber nun »zu einem Kostenfaktor für die Unternehmen«. Es gebe so, betont er, »gleiche Wettbewerbsbedingungen« für alle Energieträger. Kritiker sehen das genauso - und frohlocken. »Willkommen im Markt!«, sagt der grüne sächsische Abgeordnete Johannes Lichdi. Er glaubt, die Braunkohle werde durch Berücksichtigung ihrer hohen Emissionen »ökonomisch gekippt«. Rettung bringe auch das CO2-freie Kraftwerk nicht, das die Industrie für 2020 ankündigt. Es sei »teuer, ineffizient, nicht mehr als eine Übergangslösung«. Nach Meinung der Grünen sind Klimaschutz und Braunkohle »unvereinbar«, wie es in einem Grundsatzpapier heißt. In Sachsen werden jährlich 52 Millionen Tonnen CO2 erzeugt. Der vom Energieriesen Vattenfall geplante Neubau eines Kraftwerksblocks in Boxberg erhöhe den Ausstoß auf 57 Millionen Tonnen, 34 Millionen Tonnen kämen allein aus Braunkohlekraftwerken. Wenn UN-Vorgaben zum Klimaschutz befolgt werden sollten, dürften im Jahr 2050 aber nur noch 6,8 Millionen Tonnen anfallen. »Mit der Braunkohle«, sagt Lichdi, »geht das nicht.«
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