Feuertaufe

Personalie

  • Maria Jordan
  • Lesedauer: 2 Min.

Am kommenden Sonntag ist es so weit: Saisonauftakt der »neuen« Volksbühne. Für das Eröffnungsevent schickt der neue, bereits viel geschmähte Intendant Chris Dercon den französischen Tänzer und Choreographen Boris Charmatz ins Rennen. Und der gießt sogleich Öl ins Feuer der Skeptiker, indem er den Saisonstart mit einem zehnstündigen, interaktiven »Tanzspektakel« auf dem stillgelegten Flughafen Berlin-Tempelhof begeht. Etwas, das so gar nicht zum Stil der »alten« Volksbühne unter der Intendanz Frank Castorfs passen will.

Doch der 44-jährige Charmatz ist zuversichtlich, was seine Feuertaufe angeht. Zumindest, was die Zuschauerzahlen betrifft: »1000 ist das Minimum. 10 000 ist nicht das Maximum«, so der Choreograph. Bei seinem »Spektakel« auf und um die improvisierte Bühne in Tempelhof sollen die Zuschauer zu Akteuren werden, frei nach dem Motto »Verrückt nach Tanz - Ganz Berlin tanzt auf Tempelhof«. Was nach Kindergeburtstag klingt, ist durchaus ernst gemeint. Charmatz will den Tanz als Medium nutzen, mit dem er Menschen zusammenbringt. Im wörtlichen Sinne. In sechs Youtube-Videos stellt er höchstpersönlich im Trainingsanzug eine Auswahl der durchaus anspruchsvollen 10 000 Tanzschritte zum einüben für die Zuschauer vor. Die Klickzahlen gehen kaum über 150 hinaus.

Und tatsächlich, 10 000 Gesten sollen es in den zehn Stunden werden, mit über 200 professionellen Tänzern - und keine einzige soll sich wiederholen. Schon in Frankreich feierte Charmatz, der in Rennes das Musée de la dans leitet, mit der Tanzshow Erfolge. Dercon hat das Spektakel bereits in der Tate Modern in London gesehen.

Mit der Wiederverwendung alter Choreographien schon beim Auftakt bestätigen Dercon und Charmatz die Befürchtungen ihrer Kritiker, aus der Volksbühne ein Festspielhaus zu machen. Auch die beiden kommenden Premieren leitet Charmatz. Wie diese Vorgehensweise bei den bisherigen Volksbühnenfans ankommt, kann man sich denken. Dercon selbst wagt sich nur so weit zu sagen: »Vielleicht könnte es ja sogar gut werden.«

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