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Zweierlei Gedenken im Park

Freudenstadt im Schwarzwald animiert Besucher zu einer Skulpturenwanderung

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.

Klar, Freudenstadt ist nicht ausgespart vom Bundeswahlkampf. Doch den führt man gemäßigt. Schließlich weiß man: Das, was die Parteien versprechen, »isch doch vrschdunga ond vrloga!« Was meint: Die Parteien versprechen viel und als Bürger merkt man ohnehin erst hinterher, »welche Flascha mr gwähld hodd.« Entsprechend sparsam hingen sogar noch in der vergangenen Woche Plakate auf denen sich die »Flaschen« als Kandidaten vorstellen. Die MLPD schrieb Losungen, die LINKEN präsentierten eine freundlich schauende junge Frau. Die Sozialdemokraten haben am Wochenende zum Endspurt geblasen, denn sie fühlten sich ermutigt durch das Auftreten von Spitzenkandidat Martin Schulz beim Kanzlerduell im Fernsehen. Was CDU und Grüne nur in ihrer Ruhe bestärkt. Man vertraut auf die Wirkung erfolgreicher grün-schwarzer Landespolitik.

Vor zehn Jahren wäre Freudenstadt fast weltweit in die Schlagzeilen geraten. In einer großangelegten Operation wurde eine Terrorgruppe gefasst, die für den 11. September 2007, also zum sechsten Jahrestag der Flugzeugattentate in den USA, blutige Anschläge in Berlin, Düsseldorf, Köln, München und Stuttgart planten. In einer Garage nahe bei Freudenstadt hatte die Bande in zwölf Fässern 730 Kilogramm Wasserstoffperoxid zum Bombenbauen gelagert. Doch gefasst wurden die Typen nicht dort, sondern knapp 400 Kilometer nördlich in Oberschledorn. Das liegt im Sauerland, weshalb die Terrorgruppe nach dieser Region benannt worden ist.

Ohnehin wäre das kein Thema, mit dem das Tourismusbüro Besucher nach Freudenstadt locken würde. Man mag es kulturvoller, weshalb man einen fünf Kilometer langen Rundgang durch die »Kunststadt Freudenstadt« anpreist. Der ist empfehlenswert, man begegnet, angefangen am Stadtbahnhof, zahlreichen Kunstwerken, die zwischen Renaissance und Gegenwart entstanden.

Auf dem Weg zum Kienberg am Rande der Stadt kommt der Wanderer durch den Courbevoie-Park. Der ist nach der französischen Partnerstadt, die nahe Paris liegt, benannt. In diesem Park, so gibt das Tourismusbüro mit auf den Weg, befinde sich das »Ehren- und Mahnmal für die Gefallenen der beiden Weltkriege«. Geschaffen hat es Professor Fritz Nuss bereits 1964. Doch die Bronzeskulptur mit den fünf gequälten, schwachen Trauernden erinnert weniger an »Gefallene« als vielmehr an die zahlreichen zivilen Opfer und Geschändeten, die vor allen in den Apriltagen 1945 in der Region zu beklagen waren. Damals war der Krieg in Freudenstadt angekommen.

Kaum zwanzig Meter entfernt von der Gruppe steht ein Stein, auf dessen Bronzetafel den »Gefallen und Vermissten« der 198. Infanteriedivision gedacht wird. Deren ursprünglicher Stammsitz war in Württemberg. Doch dann fielen die Soldaten zunächst in Dänemark und Frankreich ein. Später verwüsteten sie als Teil von Hitlers Vernichtungskriegsmaschinerie weite Teile der Sowjetunion. Da der Stein vom Traditionsverband der Truppe aufgestellt worden ist, sucht man einen Hinweis darauf vergebens. Doch womöglich können ja die Verantwortlichen der Stadt da Abhilfe schaffen. Wenn der »aufregende« Wahlkampf vorbei ist.

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