Keine Rüstungsexporte an Kriegsparteien

Menschenrechtler prangern Verletzungen des internationalen Vertrages über Waffenhandel an

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 3 Min.

Bei Luftangriffen der von Saudi-Arabien angeführten Kriegskoalition in Jemen sind dieser Tage erneut 14 Zivilisten in einem Wohngebiet der Hauptstadt Sanaa getötet worden. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) berichtete von zwei Häusern, die komplett und einem dritten Haus, das weitgehend zerstört worden sei. Meldungen wie diese gehören im Süden der Arabischen Halbinsel inzwischen zum grausamen Alltag einer geschundenen Bevölkerung, nachdem die Luftangriffe auf Gebiete der Huthi-Rebellen massiv ausgeweitet wurden. Laut Vereinten Nationen sind bei den Kämpfen fast 14 000 Zivilisten getötet oder verletzt worden, wobei die Dunkelziffer noch höher liegen dürfte. Mindestens 5144 Männer, Frauen und Kinder sollen seit März 2015 ums Leben gekommen sein, wie das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte in Genf mitteilte.

Dort begann am Montag die Staatenkonferenz zum internationalen Vertrag über den Waffenhandel. Menschenrechtsorganisationen haben zum Auftakt scharf angeprangert, dass in Jemen und anderen Kriegs- und Krisenregionen Tausende sterben müssen, weil dieser Vertrag gewissenlos verletzt werde. »Etwa eine halbe Million Menschen werden jedes Jahr weltweit durch Waffen getötet und Millionen sind in brutalen Konflikten gefangen, die durch den rücksichtslosen Waffenhandel angeheizt werden«, klagt Amnesty International (AI) an.

Das im Dezember 2014 in Kraft getretene Völkerrechtsabkommen reguliert Import, Export und Transfer konventioneller Waffen - Gewehre, Artillerie, Panzer, Kampfjets, Kriegsschiffe, Munition. Es verbietet grundsätzlich Rüstungsverkäufe, wenn dadurch Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen ermöglicht werden können. Der Export muss auch unterbleiben, wenn die Gefahr besteht, dass Waffen zu ernsthaften Verletzungen des humanitären Völkerrechts oder der Menschenrechte beitragen. Lieferungen an Terroristen oder Kriminelle sind untersagt. 130 Staaten haben den Vertrag bislang unterzeichnet, 92 ratifiziert.

Doch nicht nur, dass große Rüstungsexporteure wie Russland oder China nicht dabei sind und Washington zwar unterschrieben, aber noch immer nicht ratifiziert hat. Trotz nachgewiesener Kriegsverbrechen in Kampfgebieten werden sogar weiter Rüstungsgüter dorthin geliefert. Die Menschenrechtsorganisationen werfen Signatarstaaten vor, entgegen ihren Vertragsverpflichtungen Exporte und Importe nicht offenzulegen. Länder wie Südafrika, Großbritannien, Frankreich und Österreich etwa machten nur lückenhafte Angaben. Bis jetzt haben laut dem ATT-Sekretariat lediglich 48 der 92 Vertragsstaaten Jahresberichte für 2016 vorgelegt und die teilweise auch nur unvollständig. »Tausende Zivilisten werden wegen unverantwortlicher Waffentransfers getötet und verletzt«, so Anna Macdonald, die Vorsitzende der Nichtregierungsorganisation »Control Arms«.

Saudi-Arabien etwa, das für viele Opfer in Jemen verantwortlich ist, wird weiter mit Waffen und anderen Rüstungsgütern beliefert. So habe allein Großbritannien seit Beginn des Konflikts 2015 Geschäfte über Kriegsgerät mit Riad im Wert von umgerechnet über vier Milliarden Euro abgeschlossen, rechnet Amnesty vor. Damit verletze London eindeutig seine Verpflichtungen aus dem »Arms Trade Treaty«, weil man so Gräueltaten der saudischen Streitkräfte ermögliche. Immer wieder haben Riads Kampfflugzeuge in Jemen Schulen, Krankenhäuser und Wohnviertel bombardiert und unschuldige Kinder, Frauen und Männer getötet oder verletzt. Die USA, laut Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI mit einem Anteil von 33,2 Prozent am globalen Waffenhandel nach wie vor der weltweit größte Rüstungsexporteur, vereinbarten sogar Deals mit einem potenziellen Volumen von über 90 Milliarden Euro mit ihrem saudischen Partner im Mittleren Osten.

Auch Deutschland, das den multilateralen Vertrag ratifiziert hat, versorgt Riad mit Kriegsgütern. Die Bundesregierung hat in den ersten sechs Monaten des Wahljahres Rüstungsexporte im Wert von 3,5 Milliarden Euro genehmigt, einer der höchsten Halbjahreswerte hierzulande überhaupt. Saudi-Arabien gehört zu den zehn Hauptempfängern. So wie die Vereinigten Arabischen Emirate, die ebenfalls am Krieg in Jemen beteiligt sind. »Menschenrechte dürfen bei den Exportentscheidungen der Bundesregierung nicht mehr nachrangig gegenüber außen- und sicherheitspolitischen Erwägungen sein«, fordert deshalb AI-Experte Mathias John. Die Abgeordneten des neuen Bundestages müssten darauf drängen, dass Berlin bei der Umsetzung des ATT mit der verbindlichen Anwendung des Menschenrechtskriteriums und umfassender Berichterstattung beispielhaft vorangeht.

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