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Peking stoppt teure Übernahmen im Ausland

Chinas Führung warnt vor »irrationalen« Investitionen und kontrolliert Firmenaufkäufe genauer

  • Finn Mayer-Kuckuk, Peking
  • Lesedauer: 4 Min.

Chinas Regierung will den teuren Auslandsübernahmen einen Riegel vorschieben. Der Staatsrat unter Premier Li Keqiang warnte kürzlich ausdrücklich vor »irrationalen« Investitionen und kündigte an, wieder einen höheren Teil der Geldströme ins Inland umzuleiten.

Li greift hart durch, um das Geschehen wieder unter Kontrolle zu bringen. So lässt die Regierung sogar das Führungspersonal der allzu investitionsfreudigen Unternehmen bespitzeln und bestrafen, um Zeichen zu setzen. Der Chef der Versicherungsgruppe Anbang, Wu Xiaohui, sitzt bereits im Gefängnis. Die Immobilienfirma Wanda kämpft gegen Gerüchte, ihr Gründer Wang Jianlin stehe seinerseits im Fokus der Behörden. Mit der Fosun-Gruppe und Zhejiang Luosen befinden sich zwei weitere Schwergewichte aus der Übernahmeszene in Schwierigkeiten.

Der Durchschnitt der Kaufsummen ist bereits deutlich gesunken. Im vergangenen Jahr haben chinesische Investoren noch für über 200 Milliarden Euro Firmenanteile außerhalb der eigenen Landesgrenzen gekauft. Im ersten Halbjahr 2017 sind die Kaufsummen um die Hälfte abgestürzt. Schon zu Jahresbeginn hätten die Aufsichtsbehörden strenge Kontrollen aller Übernahmen im Ausland eingeführt, sagt Analystin Susie Xiao vom Finanzdienst Mergermarket. Voraussetzung für eine Genehmigung sei die nachgewiesene finanzielle Gesundheit des Käufers, sagt Xiao. Außerdem müsse das Kaufobjekt zum eigenen Geschäft passen. Übernahmen im Wert von mehr als fünf Milliarden Dollar hätten es schwer, grünes Licht zu bekommen.

Ursprünglich hatte Peking die Unternehmen ausdrücklich aufgefordert, international zu investieren. China hat wegen der hohen Exporte einen Kapitalüberschuss, der sinnvoll angelegt sein will. Es kam wie so oft: Nachdem vor etwa zwei Jahren der Startschuss gefallen war, folgten Übertreibungen. Einige Firmen schienen ohne Sinn und Verstand überall zuzugreifen, wo etwas zum Verkauf stand, und achteten kaum auf den Preis. Die Übernahme des Schweizer Spezialchemieherstellers Syngenta für 46 Milliarden Euro beispielsweise galt vielen Beobachtern als überteuert.

Einige Manager wollten sich offenbar mit der Übererfüllung des Auftrags bei der Partei lieb Kind machen. Die meisten aber handelten einfach aus Geldgier: Wo sich Milliarden bewegen, steigen die eigene Wichtigkeit und der eigene Bonus. Die Fluglinie HNA hat sich beispielsweise zum Ziel gesetzt, um jeden Preis unter die 100 wichtigsten Unternehmen der Welt aufzusteigen.

Auf Anbang, Wanda, die HNA-Gruppe und zwei weitere Konglomerate entfielen sechs Zehntel der chinesischen Auslandsinvestitionen. So sehr sich die Wirtschaftsplaner in Peking eine größere Beteiligung der eigenen Unternehmen am Weltgeschehen wünschten: Es wurde deutlich, dass sich hier zu hohe Risiken konzentrierten, denn alle diese Spieler haben die Firmenaufkäufe durch hohe Kredite finanziert. Die finanziell überstreckten Großinvestoren wären damit typische Kandidaten für eine staatliche Rettung. Sie sind zu groß, um sie scheitern zu lassen.

Chinas Führung sorgt sich generell um den Zustand der eigenen Finanzwirtschaft. Der Versuch, den eigenen Markt für Schuldpapiere gegenüber dem Ausland zu öffnen, hat wenig gebracht. Internationale Anleger haben zu viele Nachrichten von Exzessen gelesen und greifen auf dem derzeitigen Zinsniveau nur ungern bei chinesischen Anleihen zu. Deshalb hält Peking den Geldhahn offen und weist die Zentralbank an, die Wirtschaft üppig mit Geld zu versorgen. Auf die Schwemme an sich glaubt die Politik nicht verzichten zu können, um das Wachstum hoch zu halten.

Den parallel steigenden Risiken versuchen die Ministerien in Peking durch Mikromanagement zu begegnen - indem sie Firmenchefs wie Wang und Wu zur Räson bringen. Der Versuch, nun alle Fälle einzeln zu regeln, steckt auch hinter einer neu eingeführten Genehmigungspflicht für hohe Auslandsüberweisungen. Die Banken und Behörden blicken jedoch in der Flut der zu bearbeitenden Transaktionen schon längst nicht mehr durch.

Analystin Xiao erwartet trotz alledem, dass Chinas Firmen weiter im Ausland investieren - jedoch eher da, wo es wirklich Sinn hat und der Preis stimmt. Kleinere Milliardenbeträge können die Unternehmen immer noch vergleichsweise problemlos im Ausland investieren. Doch es wird künftig weniger Nachrichten von Mega-Zukäufen durch die immer gleichen Spieler geben.

Beobachter hatten sich bereits gewundert, dass die HNA-Gruppe in Deutschland erst in einen Flughafen und dann in die Deutsche Bank eingestiegen war. In den USA hat sie zugleich die Investmentfirma von Anthony Scaramucci übernommen, der später ein ebenso heftiges wie kurzes Zwischenspiel als Donald Trumps Kommunikationschef gegeben hat. Und nebenbei hat HNA auch noch die Softwarefirma Ingram Micro geschluckt. Wie passt das zusammen? Gar nicht, fürchtet die chinesische Finanzaufsicht - und kontrolliert die Aktivitäten der südchinesischen Fluglinie nun, wie in Peking zu hören ist, besonders aufmerksam.

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