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Kommunalfinanzen: Rekorddefizit und Zukunftssorgen
Haushalte der Städte und Gemeinden mit dem größten Defizit seit 1990
Menschen leben nicht »im Bund«, sondern in einer Kommune. Dort wird die Basis für das Lebensgefühl geschaffen. Doch wenn vielen Städten und Gemeinden das Geld fehlt, um den Kindergarten auszubauen, die Schlaglöcher in den Straßen zu flicken und das örtliche Schwimmbad zu betreiben, dämpft dies die Stimmung im Lande. Die finanzielle Lage ist vielerorts seit Langem äußerst angespannt.
Im vergangenen Jahr wiesen die Haushalte der Städte und Gemeinden ein Finanzierungsdefizit von 24,8 Milliarden Euro auf. Vor allem die Ausgaben legten im zweistelligen Bereich kräftig zu. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, war dies das höchste kommunale Minus seit der deutschen Vereinigung im Jahr 1990. Auch gegenüber dem Vorjahr ist das Defizit deutlich gewachsen. 2023 hatte es 6,6 Milliarden Euro betragen. Ausgaben, die nicht durch reguläre Einnahmen gedeckt sind, müssen, soweit vorhanden, aus finanziellen Reserven oder durch die Aufnahme von Krediten finanziert werden. Die Folge sind Schulden.
Besserung ist nicht in Sicht. Die Ergebnisse des vergangene Woche von der staatlichen KfW-Bank veröffentlichten »Kommunalpanels 2025« zeigen, dass sich die Haushaltslage in vielen Kommunen grundlegend verschlechtert hat. Damit spiegeln die Umfrageergebnisse die schwierige Kassenlage vieler Kommunen wider, die 2024 ein neues Rekorddefizit eingefahren haben. Und die Erwartungen für die zukünftige Entwicklung sind überwiegend negativ.
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Ausgaben und Einnahmen wollen vielerorts einfach nicht zusammenpassen. 240 von 294 Landkreisen haben in diesem Jahr Schwierigkeiten mit dem Haushaltsausgleich. Die Folge: bei »freiwilligen Aufgaben« – dazu zählen viele Angebote der Daseinsvorsorge, wie beispielsweise Kultur, Sport, Bibliotheken, Jugendhäuser und vieles mehr – wird der Rotstift angesetzt, kritisiert der Deutsche Gewerkschaftsbund. Einsparungen betreffen auch die Beschäftigten in den Kommunen – unbesetzte Stellen werden gekürzt, frei werdende Stellen nicht wieder besetzt. Mittelfristig führt dies zu mehr Belastung der Beschäftigten und zu (weiteren) Einschränkungen der Leistungen für alle Bürger.
Klamme Kassen verleiden nicht allein den Alltag. Auch die Investitionen in die Zukunft schwächeln. Haushaltsdefizite führen beispielsweise häufig zu einem Rückgang der Bauinvestitionen. »Die aktuelle negative Stimmung in den Kämmereien lässt befürchten, dass dies in den kommenden Jahren erneut der Fall sein könnte«, schreibt die KfW.
Die Ampel-Regierung von Olaf Scholz hatte im Januar noch den Länderfinanzministern einen Entwurf vorgelegt, der eine Lösung für kommunale Altschulden verspricht. Der Gesetzentwurf sieht hierzu einen neuen Artikel 143h des Grundgesetzes vor. Die Vorschrift würde den Bund einmalig zur hälftigen Übernahme des Entschuldungsvolumens des jeweiligen Bundeslandes ermächtigen, wenn das Land seine Kommunen vollständig von ihren übermäßigen Krediten entschuldet hat.
Dies halten die drei kommunalen Spitzenverbände zwar für einen wichtigen Schritt. Er würde aber nicht die strukturelle Schieflage des deutschen Föderalismus beseitigen: Die Kommunen müssen viele wichtige Auf- und Ausgaben stemmen, die Bund und Länder beschließen und dann an die Kommunen delegieren.
Das sind beispielsweise Ausgaben im sozialen Bereich wie Jugendhilfe, Grundsicherung und die Versorgung von Geflüchteten. Auf deren Höhe haben die Kommunen keinen Einfluss. Und die Ausgaben sind in den letzten Jahren dramatisch gestiegen. Betrugen die sozialen Ausgaben laut Städtetag vor zehn Jahren noch 59 Milliarden Euro, werden sie in diesem Jahr 85 Milliarden erreichen.
Letztlich droht vielen Kommunen ein Teufelskreis. Mit den wenigen Steuerarten, auf die sie direkten Einfluss haben, stehen sie in Konkurrenz zu Nachbargemeinden. Erhöhen sie etwa die örtliche Gewerbesteuer – die wichtigste Einnahmequelle der Kommunen – drohen Firmen, Betriebe zu verlagern. Erhöhen Orte die Grundsteuer, könnten Steuerzahler abwandern und die Bevölkerung schrumpft. Was zudem negative Auswirkungen auf Gastronomie und Gewerbe hat. Es braucht deshalb umfassende politische Lösungen wie erhöhte Zuweisungen der Länder, Entlastungen von Sozialausgaben und Änderungen des Steuersystems zugunsten der Kommunen.
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