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Verwürfelt

  • Sebastian Haak
  • Lesedauer: 3 Min.

Erfurt. Etwa sieben mal sieben mal sieben Zentimeter ist eines der neusten PR-Präsente des Landes groß, dem aber eine viel größere Aufgabe zugedacht ist; nämlich: Dabei helfen, dass im Freistaat »gendersensibel« gesprochen und geschrieben wird. Vor allem in der Landesverwaltung.

Bei diesem PR-Präsent handelt es sich um einen mehrfach aufklappbaren Würfel, auf dem »Empfehlungen für gendersensible Sprache« zusammengestellt sind. Denn schon seit Langem reicht es unter anderem der Thüringer Gleichstellungsbeauftragten, Katrin Christ-Eisenwinder, nicht mehr, wenn irgendjemand irgendwo von »Bürgerinnen und Bürgern« oder »Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern« spricht.

Stattdessen, so steht es unter anderem auf dem Würfel, gebe es eine ganze Reihe von Alternativen, um gendersensibel zu formulieren, ohne das eine oder das andere Geschlecht zu bevorzugen. Beispielsweise durch neutrale Formulierungen wie »Teilnehmende« statt »Teilnehmerinnen und Teilnehmer«. Oder durch Wortendungen mit Schrägstrichen wie »Absolvent/inn/en« oder »Lehrer/inn/en«. Wer das noch aussprechen oder flüssig lesen können soll, wird mit dem Würfel ebenso wenig erklärt, wie es ein Rätsel bleibt, wie derartige Formulierungen zu Eindeutigkeit beitragen oder gendersensible Sprache überhaupt hilft, Missverständnisse zu vermeiden. Beides immerhin wird dort behauptet.

Weniger rätselhaft und transparent immerhin gehen Christ-Eisenwinder und das Thüringer Sozialministerium - dem ist die Gleichstellungsbeauftragte zugeordnet - mit den Kosten für diese Kreation um. Etwa 2800 Euro, sagt ein Sprecher des Sozialministeriums, seien aus dem Etat der Beauftragten für den Würfel gezahlt worden: 500 Euro seien an eine Erfurter Grafikerin gegangen, die die einzelnen Flächen des Würfels gestaltet habe. Etwa 2200 Euro seien für Druck und Herstellung gezahlt worden. Die Firma mit den günstigsten Herstellungskosten habe den Zuschlag für den entsprechenden Auftrag bekommen - ausweislich der Verpackung des Würfels sitzt diese in Augsburg.

Verteilt werden solle der Würfel - von dem 500 Stück bestellt worden seien - nun an die »Abteilungsleiterinnen und Abteilungsleiter« sowie an die »Referatsleiterinnen und Referatsleiter« aller Ministerien, sagt der Sprecher - in einer aus Sicht von gendersensiblen Sprachgestaltern wohl ziemlich altbackenen Art und Weise. Im Kern richtet er sich damit also an die gleiche Zielgruppe, für die Christ-Eisenwinder bereits »Empfehlungen für eine gendersensible Sprache« erarbeitet hat. Die waren im Juni 2016 vom Kabinett der rot-rot-grünen Landesregierung bestätigt worden.

Zweifellos bietet der Würfel ein anschauliches Beispiel dafür, wie schwierig es ist, gendersensible Sprache im Alltag wirklich anzuwenden. Wenn wohl auch unbeabsichtigt. Neben unter anderem mindestens einem Tippfehler, fehlenden Leerzeichen und mehreren sprachlich unglücklichen Formulierungen auf den Teilflächen des Würfels werden nämlich nicht immer die eigenen Regeln angewandt. So schlägt der Würfel immerhin vor, das sogenannte Binnen-I sparsam zu verwenden. Und wenn, dann so: »BürgerIn«. Oder so: »MitarbeitIn«. Dabei müsste es doch eigentlich »MitarbeiterIn« heißen. Der Sprecher des Ministeriums sagt, Christ-Eisenwinder finde es »sehr schade, dass sich der Fehlerteufel eingeschlichen hat«. Bei einem eventuellen Nachdruck des Würfels würden Fehler »selbstverständlich korrigiert«.

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