Juncker will EU wieder europäisch machen

Rede zur Lage der Union: Kommissionschef fordert Ausweitung von Staatenbund und Währungsunion

  • Nelli Tügel
  • Lesedauer: 3 Min.

Was in den Vereinigten Staaten von Amerika eine alte Tradition ist, gibt es in der Europäischen Union erst seit drei Jahren: Die State of the Union Adress - die jährliche Grundsatzrede zur Lage der Union. Der amtierende EU-Kommissionspräsident, Jean-Claude Juncker, hatte sie 2015 eingeführt.

Am Mittwoch hielt Juncker die diesjährige Grundsatzansprache vor dem Europäischen Parlament in Straßburg. Es war ein Blumenstrauß an Themen, den er dort präsentierte, darunter Wirtschaft und Währungsunion, Verteidigung, Klimaschutz, Migration und das Verhältnis zur Türkei. Eurozone und Schengenraum sollen, so Juncker, wachsen. Ebenso die EU selbst, die bis 2025 30 Mitgliedsstaaten umfassen solle.

Darüber hinaus zeichnete der ehemalige luxemburgische Premierminister das Bild einer EU, die sich in die richtige Richtung entwickele. »Zehn Jahre nach Ausbruch der Krise lebt die europäische Wirtschaft endlich wieder auf. Und damit auch unsere Zuversicht und unser Vertrauen«, sagte Juncker. Die Staats- und Regierungschefs der EU-27 - also aller EU-Staaten außer Großbritannien -, das Parlament und die Kommission würden die Union »wieder europäisch machen«.

Kritik gab es im Anschluss an seine Rede unter anderem daran, dass Juncker Zerwürfnisse innerhalb der EU nicht offen dargestellt habe und wichtige Fragen nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. »Beim wichtigsten Thema - der europäischen Sozialpolitik - hat der Kommissionspräsident leider herzlich wenig gesagt«, erklärte Jens Geier, Vorsitzender der Europa-SPD. Cornelia Ernst, Sprecherin der Delegation der Linken im EU-Parlament, sagte, Juncker bekräftige das Streben nach einer Europäischen Verteidigungsunion und einer Aufklärungseinheit zur verstärkten Terrorismusbekämpfung, bliebe aber »in Fragen der Armutsbekämpfung, der Kürzungsdiktate oder des sozialen Ausgleichs« vieles schuldig.

Die deutsche Bundesregierung erklärte, sie begrüße, »dass sich der Kommissionspräsident in seiner Rede zur Lage der Union mit wichtigen Fragen der Zukunft der EU und mit den Prioritäten der Europäischen Union befasst hat.«

Sahra Wagenknecht, Spitzenkandidatin der Linkspartei für die Bundestagswahlen, meinte hingegen, Juncker scheine »von allen guten Geistern verlassen zu sein.« Bereits jetzt zerstöre die Währungsunion in vielen Ländern Industrie und Arbeitsplätze, sagte Wagenknecht.

Kritik wurde auch an Junckers Vorschlag geäußert, den Schengenraum auszuweiten. So erklärte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann von der CSU, »auf Kosten der Sicherheit der deutschen Bevölkerung darf der Schengen-Raum keinesfalls größer werden«. Herrmann befand, schon jetzt gebe es Schengen-Staaten wie etwa Griechenland, »die nicht in der Lage und willens« seien, ihre Außengrenzen »ordentlich zu schützen«. Mit Agenturen

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