Deeskalation in Idlib

Das Astana-Treffen vereinbart eine Waffenruhe für eine vierte Region in Syrien

  • Karin Leukefeld
  • Lesedauer: 3 Min.

Zum sechsten Mal trafen Ende vergangener Woche Delegationen der syrischen Regierung und einiger bewaffneter Gruppen in der kasachischen Hauptstadt Astana zusammen. Dabei unterzeichneten sie ein Deeskalationsabkommen für die Provinz Idlib. Die Nusra Front, die sich heute »Front zur Eroberung von Syrien« nennt, will den Kampf allerdings fortsetzen.

Auf Vorschlag der Garantiemächte Russland, Iran und Türkei einigten sich die Delegationen auf die Markierung eines vierten Deeskalationsgebietes in Syrien. Die Provinz Idlib im Nordwesten des Landes soll von der syrischen Armee, von Vertretern der bewaffneten Gruppen sowie von insgesamt 1500 Kontrollkräften der Garantiemächte gesichert werden. Russland ist zusätzlich mit Militärpolizei in Syrien vertreten. Die Beobachter sollen an Kontroll- und Überwachungspunkten stationiert werden. Ihre Aufgabe ist es, die vereinbarte Waffenruhe zu sichern und Kampfhandlungen der verfeindeten Seiten in Syrien zu verhindern.

Die Provinz Idlib wird in weiten Teilen von der Nusra Front kontrolliert. Die Organisation, die von den Vereinten Nationen als »Terrororganisation« eingestuft wird, kündigte ihren Widerstand gegen die Vereinbarung an. Deeskalation bedeute »sich zu ergeben«, wurde die Organisation von der Nachrichtenagentur Reuters zitiert. Kritiker der Deeskalationsabkommen in Syrien sprechen von einer »Spaltung des Landes«.

Die Grenze des Deeskalationsgebietes der Provinz Idlib soll auch Teile der Nachbarprovinzen Latakia, Aleppo und Hama umfassen. Die Vereinbarung sieht vor, dass alle bewaffneten Akteure die Waffen ruhen lassen. Die Garantiemächte planen die Einrichtung von Versöhnungszentren, durch die die verfeindeten Seiten miteinander ins Gespräch kommen sollen. Die russische Armee hatte Anfang 2016 auf der Militärbasis Hmeimim (Latakia) ein Versöhnungszentrum eingerichtet, das bis zum Sommer 2017 insgesamt 2235 lokale Waffenstillstände zwischen den verfeindeten Seiten in Syrien vermitteln konnte.

Der Vertreter der russischen Streitkräfte in Syrien, Generalleutnant Sergej Kuralenko, erklärte am Samstag, man arbeite gemeinsam mit der syrischen Regierung daran, die Infrastruktur in den Deeskalationsgebieten wieder herzustellen. Das sei eine wesentliche Voraussetzung, damit die Zivilbevölkerung wieder zurückkehren könne. 233 bewaffnete Gruppen hätten zugesagt, den Waffenstillstand einzuhalten und ein entsprechendes Abkommen unterzeichnet.

Das Außenministerium in Damaskus begrüßte die Entscheidung, die Provinz Idlib als Deeskalationsgebiet zu markieren. Die Vereinbarung legitimiere aber nicht die Anwesenheit von türkischen Streitkräften auf syrischem Territorium, die man als »illegal« betrachte. Die syrische Regierung habe Russland und den Iran beauftragt, das endgültige Abkommen auszuhandeln. Beide Staaten seien Partner der syrischen Regierung, die Türkei müsse ihre Unterstützung der Kämpfer einstellen. Die Deeskalationsvereinbarung für die Provinz Idlib sei »zeitlich befristet«, so das Außenministerium weiter. Es gehe darum, »die Verbindungsstraße zwischen Damaskus, Hama und Aleppo wieder zu öffnen, um das Leid der Zivilbevölkerung in und um Aleppo zu verringern«.

Der UN-Sondervermittler für Syrien, Staffan De Mistura, begrüßte die Vereinbarung für Idlib. Die Deeskalationsgebiete hätten in Syrien erheblich dazu beigetragen, dass die Gewalt abgenommen hätte. Um die staatliche Souveränität Syriens und die territoriale Integrität zu bewahren, dürften die Vereinbarungen allerdings nur »vorübergehend« sein, betonte De Mistura. Der Schwung von Astana müsse nun nach Genf übertragen werden, um auf der Basis des Deeskalationsprozesses die politische Entwicklung voranzubringen.

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