Überraschung, Überwachung

Polizei will mit mobiler Videotechnik auf Verbrecherjagd gehen

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.

Die neueste Technik der Berliner Polizei sitzt auf einem Anhänger. Silberfarbenes Design, blaue Piktogramme, darüber in etwa vier Metern Höhe zwei weiße Schwenkarme mit Kameras, die alle Richtungen im Blick haben können. Zwei mobile Videowagen sollen nach Wunsch von Innensenator Andreas Geisel (SPD) ab kommender Woche im Einsatz sein. Zehn Mitarbeiter sind für deren Nutzung geschult. Am Donnerstag demonstrierten Polizeipräsident Klaus Kandt und Innensenator Geisel den Einsatz der Technik an der Warschauer Brücke in Friedrichshain.

Drei Szenarios werden von Zivilpolizisten vorgeführt. Im ersten geraten die Mitglieder zweier Gangs in einen Streit. Im zweiten werden Drogen verkauft. Im Taschendiebszenario lenken zwei vorgebliche Touristen einen Mann ab, während ein Komplize ihm das Portemonnaie aus der Hosentasche klaut.

Ob die Polizei erwartet, dass Straftäter die gut sichtbaren Kamerawagen ignorieren und ihren Geschäften auch unter Videoüberwachung nachgehen? Sprecher Winfrid Wenzel erklärt, Abschreckung sei eines der Ziele der neuen Maßnahme. Und wenn die potenziellen Täter verdrängt würden, könne man ihnen gegebenenfalls folgen. Das ist nicht im konkreten Sinne gemeint. »Der Wagen ist statisch, solange er sich im Einsatz befindet.« Da er aber mobil ist, kann er mal an diesem, mal an jenem Ort eingesetzt werden. Hier setze man auf den Überraschungseffekt. Zusätzlich geht die Polizei von einem gewissen »Gewöhnungseffekt« bei Straftätern aus. »Das Bewusstsein für die Kameras wird sinken«, sagt Wenzel.

Vorbild für die neue Maßnahme ist Tel Aviv, wo die Technik Standard ist, sagt Wenzel. Zunächst wird der mobile Einsatz in einem dreimonatigen Probelauf mit zwei Wagen getestet. Der soll unter anderem darüber entscheiden, ob weitere Geräte gekauft werden und ob die Hinweise auf den Anhängern ausreichend sind. Neben der Warschauer Brücke, wo sich vor allem in den Nachtstunden der vielen Partygänger wegen viele Taschendiebe tummeln, sollen die Anhänger an vier weiteren Orten eingesetzt werden. Das sind die bereits bekannten kriminalitätsbelasteten Orte Alexanderplatz, Leopoldplatz, Kottbusser Tor und Hermannplatz.

Dort gilt die Zahl der Straftaten - Drogenhandel oder Taschendiebstähle - als besonders hoch. Dort kann die Polizei unter anderem anlasslose Kontrollen durchführen.

Anfang des Jahres hatten SPD, Grüne und LINKE in Reaktion auf den Terroranschlag am Breitscheidplatz ein Sicherheitspaket verabschiedet. Nach einigen Auseinandersetzungen einigten sie sich darauf, »temporär und anlassbezogen« Kameraüberwachung ausweiten zu können - bei Versammlungen und Menschenansammlungen, aber auch an kriminalitätsbelasteten Orten.

Niklas Schrader, Mitglied des LINKEN-Fraktionsvorstands im Abgeordnetenhaus, sagt: »Wir sind nach wie vor nicht davon überzeugt, dass Videoüberwachung zur Sicherheit beiträgt.« Möglich sei der temporäre Einsatz der mobilen Kamerawagen aber nach Koalitionsbeschluss. Die LINKE wolle den Probelauf dennoch genau beobachten. »Es darf nicht darauf hinauslaufen, dass ohne konkreten Anlass und über einen längeren Zeitraum hinweg überwacht wird.«

Die Deutsche Polizeigewerkschaft kritisierte am Donnerstag, der Anhänger dürfe noch nicht zum Einsatz kommen. Er sei weder den Beschäftigtenvertretungen vorgestellt worden, noch sei ein Beteiligungsverfahren eingeleitet worden. Geisel erklärte hingegen, das Verfahren laufe, und solle innerhalb weniger Tage abgeschlossen sein.

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