Erst die dritte Frau wurde eine First Lady

Die Ära Ulbricht und Honecker und ihr privates Umfeld. Von Siegfried Prokop

  • Siegfried Prokop
  • Lesedauer: 5 Min.

Die DDR-Geschichte prägten im Wesentlichen die Ära Ulbricht und die Ära Honecker. Es fällt auf, dass die Phase des Aufstiegs fast identisch ist mit der Ära Ulbricht. Es gelang trotz Reparationen ein Wirtschaftsaufschwung, der im Westen als »zweites deutsches Wirtschaftswunder« anerkannt wurde. In der Öffentlichkeit kam das familiäre Umfeld von Ulbricht in der Regel viel zu kurz. Verborgen blieb, dass er 1920 die Näherin Martha Schmelinsky geheiratet hatte und aus dieser Ehe Tochter Dorle hervorging. Von 1925 bis 1934 war er mit der französischen Journalistin Rose Michel intim, 1931 wurde in Moskau Tochter Rose geboren.

Lotte, die Frau seines Lebens, lernte Ulbricht am 29. Januar 1935 im Speiseraum des berühmt-berüchtigten Hotels Lux in Moskau kennen. Sie verabredeten sich zum Schlittschuhlaufen. Im Rückblick schrieb Lotte: »Wir verliebten uns ineinander. Noch heute kann ich mir das Wunder nicht erklären.« Am Abend gingen sie ins Kaufhaus Gastronom 1 einkaufen und landeten schließlich im Bett. Lotte, die nach der Scheidung von ihrem Ehemann Erich Wendt ihren Geburtsnamen Kühn angenommen hatte, musste indes noch Jahre warten, bis es möglich wurde, Walter zu heiraten. Erst 1949 gab Ulbrichts erste Frau die Einwilligung zur Scheidung. Am 25. Januar 1950 erfolgte die Eheschließung zwischen Walter und Charlotte (Lotte). Die beiden ergänzten sich in menschlicher und politischer Hinsicht sehr gut. Lotte konnte jedoch aufgrund mehrfacher Erkrankungen in der Emigration keine Kinder bekommen. Nach einem ersten vergeblichen Adoptionsversuch gelang es dem Paar, die am 6. Mai 1944 in Leipzig zur Welt gekommene Maria Pestunowa (kurz: Mascha), die Tochter einer ukrainischen Zwangsarbeiterin und eines unbekannten Vaters, als Beate in Pflege zu nehmen. Maschas Mutter war bei einem Luftangriff ums Leben gekommen. Da Beate Bürgerin der UdSSR war, zog sich der Adoptionsvorgang bis zum 26. August 1950 hin. Während Walter Ulbricht sich bemühte, ein fürsorglicher Vater zu sein, stellte Lotte hohe Ansprüche, die das Mädchen überforderten. Mascha ging zum Studium nach Leningrad und heiratete den Sohn eines italienischen Kommunisten. Diese Ehe hielt ebenso wie die nachfolgende mit einem Russen nicht lange. Ohne Studienabschluss zurück in der DDR, folgten wechselnde Arbeitsverhältnisse. In den Tagen der Wende verfiel Beate dem Alkohol. In der Nacht vom 5. zum 6. Dezember 1991 wurde sie in ihrer Wohnung in Berlin ermordet - ein unaufgeklärter Mord.

In der politischen Arbeit unterstützte Lotte Walter außerordentlich. Seit 1947 war sie seine persönliche Mitarbeiterin, was in der Juni-Krise 1953 im Politbüro zu heftiger Kritik führte. Sie verzichtete auf die Fortsetzung einer eigenen politischen Laufbahn, wurde wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Marxismus-Leninismus und unterstützte die Ausarbeitung der achtbändigen Geschichte der Arbeiterbewegung. Sie war Mitglied in der Frauenkommission des Politbüros. 1968 erschienen ihre »Reden und Aufsätze«. Die darin erhobenen Forderungen zur Frauenemanzipation sind noch heute aktuell. Doch erst, nachdem Nikita Chruschtschow mit seiner Frau Nina öffentlich auftrat, avancierte sie zu einer »First Lady«.

1971 erfolgte der Wechsel von Ulbricht zu Honecker, der im Vergleich zu Ulbricht mit einem moderneren Politikstil begann. Im Kulturbereich versprach er zunächst mehr Liberalität. Gegen die Stimmen von CDU-Abgeordneten in der Volkskammer setzte er die Abschaffung des Abtreibungsparagrafen 218 durch. Mit sozialen Maßnahmen sicherte er, dass die DDR ein geburtenfreudiges Land blieb. Durch seine Flexibilität in der Außenpolitik beförderte er den Prozess der weltweiten völkerrechtlichen Anerkennung der DDR. Im Gegensatz dazu stand seine Reformfeindlichkeit im Innern. Ebenso wie bei Ulbricht wurde bei Honecker erst die dritte Frau, Margot, die Frau seines Lebens. Honecker hatte seine Beziehung zu der attraktiven Vorsitzenden der Pionierorganisation Margot Feist im Dezember 1948 während einer Moskaureise begonnen, heiratete aber 1949 Edith Baumann, seine zweite Frau. 1950 wurde die gemeinsame Tochter Erika geboren. Nach einer Phase wilder Ehe mit Margot Feist folgte im Dezember 1952 Tochter Sonja und im Jahr darauf die Scheidung von Edith und Hochzeit mit Margot. Die 15 Jahre Jüngere und Intelligentere dominierte in der Ehe. Als ihr Mann 1971 in Regierungsverantwortung kam, war sie schon acht Jahre Ministerin für Volksbildung. Der Machtantritt ihres Mannes erhöhte ihre Machtfülle und Autorität.

Gestützt auf prominente Pädagogen, gelang es Margot Honecker, in der DDR eine leistungsfähige Zehnklassenschule mit besonderer Betonung der Naturwissenschaften und der polytechnischen Bildung aufzubauen. Vor allem Finnland stützte sich auf die DDR-Erfahrungen und brachte es so an die Spitze der PISA-Studie. Den Wehrkundeunterricht hätte Margot sich aber besser nicht von der Armeeführung aufdrängen lassen sollen. Nicht in allen politischen Fragen stimmten die beiden überein. Die Ausbürgerung von Wolf Biermann fand nicht Margots Zustimmung.

Viel spekuliert wurde über die angebliche Zerrüttung der Honecker-Ehe. Dass sie getrennte Schlafzimmer hatten, lag nach Aussage des Personenschützers Bernd Brückner am unterschiedlichen Lebens- und Arbeitsrhytmus: »Erich arbeitete bis tief in die Nacht, da schlief seine Frau schon längst. Und Margot Honecker fuhr morgens als Erste durchs Tor.«

Tochter Sonja heiratete den Chilenen Leonardo Yáňes Betancourt. Eine besondere Rolle im Leben der Honeckers spielten die Enkel, auch die zwei Töchter von Erika und nicht nur Roberto, für den nach dem Sturz der Honeckers auch eine Zeit der Turbulenzen begann. Der 15-Jährige musste damit zurechtkommen, dass seine Eltern mit ihm in die für ihn fremde Welt nach Chile gingen und sich 1992 trennten. Er brachte es zu keinem Berufsabschluss und nahm lange Zeit Drogen. Für die Honeckers schwer zu ertragen, doch Margot hielt immer zu ihm.

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