LINKE und Dercon räumten Berliner Volksbühne

Polizei führte Besetzer aus Theater / Linksfraktion forderte Aktivisten zum Verlassen auf

  • Marie Frank, Elsa Koester, Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Update 16.40 Uhr: Versammlung vor der Volksbühne
Nach der Räumung der Volksbühne am Mittag versammeln sich ca. 100 Aktivisten zu einer Versammlung auf der Wiese vor dem Theater. Dazu aufgerufen hatte die Besetzergruppe »Staub und Glitzer«, die Performance und Musik ankündigte.

Update 16.30 Uhr: AfD-Forderung zur Räumung der Volksbühne erledigt
Die Diskussion um die Räumung durch Dercon und die Rolle des LINKE-Kultursenators Klaus Lederer geht weiter. Für Empörung sorgte die Forderung der AfD im Berliner Abgeordnetenhaus, das Theater »umgehend« zu räumen – der sich durch die Räumung mit Unterstützung des Kultursenators erledigt hatte. Dieser nahm in einer Erklärung Stellung zu dem Geschehnissen. Die Mitarbeiter*innen des Theaters hätten auf einer Belegschaftsversammlung die Entscheidung gefällt, eine »kollektive Intendanz« abzulehnen, den Probebetrieb wieder aufzunehmen und den Spielstart in der Volksbühne vorzubereiten. Lederer schreibt, die Volksbühne habe den Besetzerinnen und Besetzern ein auf Kompromiss orientiertes, gutes Angebot unterbreitet. »Die Gruppe hat dies nicht angenommen. Ich bedaure sehr, dass es nicht gelungen ist, in der Volksbühne künstlerische Arbeit und stadtpolitische Debatten in einem geregelten Rahmen gleichermaßen zu ermöglichen.« Die Debatte um die Zukunft der Stadt würde sicher an einem anderen Ort fortgeführt.

Dercon lässt Volksbühne räumen

Die Berliner Volksbühne wurde am Donnerstag geräumt. Nach einer Woche Besetzung diskutierten die Aktivisten über ein Angebot des Theaters, zwei Räume weiterhin nutzen zu dürfen. Die Entscheidung wurde auf Donnerstagabend vertagt. Daraufhin schaltete der Intendant Chris Dercon die Polizei ein und erstattete Anzeige. Zum Einsatz von Gewalt kam es nicht: Die Aktivisten ließen sich am späten Mittag von der Polizei aus dem Gebäude führen. Sie sprechen von einem »staatlichen Angriff auf eine laufende Performance«. Für den Nachmittag ist eine Vollversammlung vor dem Theater geplant.

Am Donnerstagmorgen hatten sich drei Hundertschaften vor Ort positioniert. Die Polizei sperrte das Theater weiträumig ab, nur noch Journalist*innen wurden durchgelassen. Rund 50 Polizeibeamte betraten das besetzte Gebäude, in dem sich noch immer rund 20 Aktivist*innen befanden.

Dercon stellte gegen 11 Uhr das Ultimatum, Anzeige gegen jeden Besetzer zu erstatten, der sich nach zehn Minuten noch im Gebäude befindet. Daraufhin verließen einige Aktivisten freiwillig das Theater am Rosa-Luxemburg-Platz. Die Besetzerin Alicja Schindler von »Staub zu Glitzer« erklärte zunächst noch: »Niemand wird das Gebäude verlassen. Wir wollen weiter spielen.« Gegen 14 Uhr verließen jedoch auch die restlichen Aktivist*innen das Gebäude.»Das entspricht nicht dem Geist der Volksbühne«, kritisiert einer der Besetzer gegenüber »nd«. Am Mittag befanden sich etwa 150 Unterstützer vor dem Theater.

Auf Twitter ist die Empörung groß, dass die Besetzung unter der Regierung eines LINKE-Kultursenators geräumt wird. Im Abgeordnetenhaus erklärte dieser, die »Eskalation« an der Volksbühne sei zunächst »unverantwortbar« gewesen. Das sei »leeres Gerede«, wenn der Berliner Senat die Räumung nicht verhindere, entgegneten die Besetzer: »Es liegt in eurer Hand als Senat«. Die Linksfraktion erklärte am Mittag, Lederer habe noch vor einer Woche von einer Räumung abgeraten, nun gebe es jedoch die »Aufforderung an Besetzer, die #Volksbühne freiwillig und straffrei zu verlassen«. Begründet wird der Sinneswandel mit dem Angebot des Theaters an die Besetzer, die Räume nutzen zu dürfen – das habe der Kultursenator unterstützt, aber es sei nicht angenommen worden. Der Stadtsoziologe Andrej Holm widersprach jedoch auf Twitter: die Aktivist*innen wollten auf einem Plenum am Abend über das Angebot entscheiden.

Die Volksbühne ist seit einer Woche besetzt. Die Aktion wird in Anspielung auf eine US-amerikanische Atombombe »V 61-12« genannt. Die Spielstätte, so sagte eine Sprecherin, sollte ein »Anti-Gentrifizierungszentrum« werden.

Dafür wollten die Aktivisten einen Alternativspielplan entwickeln und die Volksbühne zu einem »Theater für alle« machen. Beteiligt haben sich Student*innen der Berliner Beuth-Hochschule für Technik ebenso wie Hendrik Sodenkamp, der als Assistent des langjährigen Volksbühnen-Chefdramaturgen Carl Hegemann arbeitete.

Nach der Räumung kündigten die Kunstaktivisten eine Vollversammlung auf der Wiese vor der Volksbühne mit Performances und Musik an: »Wir machen weiter. Kommt!«

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