Keine Fläche dem Sexismus

Auf landeseigenen Werbeflächen soll in Zukunft keine geschlechterdiskriminierende Werbung mehr zu sehen sein

  • Marie Frank
  • Lesedauer: 3 Min.

»Lieblich wie der Wein sollte auch die Gattin sein« - Mit diesem Spruch warb im vergangenen Jahr eine Einzelhandelskette. Damit solche und ähnliche frauendiskriminierende Werbung in Zukunft zumindest auf den landeseigenen Werbeflächen nicht mehr zu sehen ist, will Berlins Senatorin für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung, Dilek Kolat (SPD), sexistische Werbung auf diesen untersagen. »Sexismus hat keinen Platz in der Werbung und auch nicht in unserer Gesellschaft. Gehen dagegen vor«, verkündete sie kürzlich per Kurznachrichtendienst Twitter.

Laut Koalitionsvereinbarung soll in der derzeit laufenden Neuausschreibung landeseigener Werbeflächen »der Ausschluss von sexistischer Werbung und diskriminierenden Inhalten eine harte Vergabebedingung« werden. »Sobald eine Agentur ausgewählt ist, wird man einen entsprechenden Passus in den Vertrag schreiben«, sagt Christoph Lang von der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung dem »nd«. Wie das Verfahren dann genau aussehenwerde, sei jedoch noch offen. Klar sei jedoch, dass die zukünftigen Werbepartner vertraglich zusichern müssen, sich an die Kriterien des Deutschen Werberats zu halten. Der untersagt unter anderem Aussagen oder Darstellungen, »die Personen auf ihre Sexualität reduzieren oder ihre sexuelle Verfügbarkeit nahelegen« oder »mit übertrieben herausgestellter Nacktheit eine Herabwürdigung des Geschlechts vermitteln«.

Vorreiter auf diesem Gebiet ist der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, in dem bereits seit 2015 frauenfeindliche Werbung auf den 27 bezirkseigenen Werbetafeln untersagt ist. Ein Jahr später folgte Pankow. Seitdem ist in den Verträgen mit den Werbepartnern von Friedrichshain-Kreuzberg ein entsprechender Abschnitt enthalten. Zudem wurde ein Beschwerdeverfahren eingerichtet, durch das sexistische Werbung gemeldet werden kann. Die Arbeitsgruppe gegen sexistische, diskriminierende und frauenfeindliche Werbung prüft dann, ob die Werbung zulässig ist. Dies ist laut der Bezirkssprecherin Sara Lühmann allerdings erst einmal vorgekommen, dabei ging es um ein Wahlplakat der AfD. Eine Prüfung habe jedoch ergeben, das in diesem Fall keine Handhabe vorlag.

Ende September veröffentliche der Bezirk zudem einen Handlungsleitfaden gegen sexistische, diskriminierende und frauenfeindliche Werbung. »Frauen werden in der Werbung oft auf bestimmte Klischees, Rollen oder Eigenschaften reduziert. Auf unterschiedliche Weise wird weibliche Sexualität für Werbezwecke missbraucht und Frauen als Sexualobjekte dargestellt«, kritisiert die Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann im Vorwort des Leitfadens. Sie hofft, damit auch andere Bezirke, Städte oder Gemeinden zu motivieren, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.

Ebenfalls im Leitfaden enthalten ist ein zweiseitiger Kriterienkatalog. Werbung sei unter anderem dann sexistisch, »wenn Personen, insbesondere Frauen, aufgrund ihres biologischen und sozial konstruierten Geschlechts, ihrer sexuellen Identität oder Orientierung abwertend und entwürdigend dargestellt werden«, heißt es dort. Zehn Kriterien wurden insgesamt erarbeitet. Bei einem Verstoß gegen diese Kriterien solle man sich beim entsprechenden Unternehmen und beim Werberat beschweren. Dafür haben die HerausgeberInnen eigens eine Rote Karte beigelegt, auf der steht: »Herzlichen Glückwunsch! Sie haben gerade mit Ihrer sexistischen, diskriminierenden und frauenfeindlichen Werbung eine Kundin verloren.«

Ob eine Beschwerde beim Werberat jedoch hilft, ist fraglich. So trifft das im Leitfaden aufgeführte Kriterium, dass eine Darstellung von Frauen sexistisch sei, die bestimmte Rollenbilder, also psychische Eigenschaften und Verhaltensweisen, als gesellschaftliche Norm festlegt, durchaus auf die eingangs beschriebene Werbung zu. Für den Werberat allerdings stellte sie kein Problem dar: Eine entsprechende Beschwerde wurde zurückgewiesen.

273 Beschwerden - und damit die Hälfte aller Einsendungen - sind im vergangenen Jahr wegen geschlechterdiskriminierender Werbung beim Werberat eingegangen. 35 Prozent von ihnen wurden daraufhin beanstandet. Eine Strafe haben die Unternehmen jedoch nicht zu befürchten, der Werberat setzt letztlich auf Freiwilligkeit und Selbstkontrolle der Unternehmen. Überhaupt ist fraglich, inwieweit der Werberat unabhängig und neutral agiert, besteht er doch letztendlich aus Wirtschaftsvertretern, die sich selbst kontrollieren.

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