Katalonien wählt, Spanien prügelt
Sicherheitskräfte gehen brutal gegen die Menschen vor, die abstimmen wollen / Hunderte Verletzte
Nichts konnte Katalonien vom Referendum über die Unabhängigkeit von Spanien am Sonntag abhalten. Ab fünf Uhr in der Früh rückten Menschen aus, um die mehr als 2000 Wahllokale zu öffnen, die zuvor besetzt wurden. Es waren Stunden der Spannung. Viele fürchteten ein brutales Vorgehen der paramilitärischen Guardia Civil und der Nationalpolizei, um mit Gewalt die Abstimmung zu verhindern.
In den allermeisten Wahllokalen passierte jedoch nichts, nur lange Schlangen bildeten sich vor den Schulen. Immer wieder wurde lautstark »votarem, votarem« (Wir werden wählen) gerufen. In der Altstadt warteten die Menschen im strömenden Regen geduldig darauf, ein Grundrecht ausüben zu können. Alle Wähler wurden nach der Wahl beklatscht, egal ob sie Ja, Nein oder ungültig gewählt haben.
An ausgewählten Punkten gingen Guardia Civil und Nationalpolizei mit brutalster Gewalt gegen Wähler vor. Betroffen war auch die Schule, in der der katalanische Präsident Carles Puigdemont wählen sollte. Wie an anderen Orten wurden die Türen mit Vorschlaghämmern zerstört, auf Anwesende eingeprügelt, die mit ihren Körpern die Urnen schützen wollten. Auch Gummigeschosse wurden eingesetzt, um Wähler zu vertreiben. Ohne größeren Erfolg, auch Puigdemont hat abgestimmt, jedoch im Nachbarort.
Wegen der Stürmung von mehr als 50 Wahllokalen, bei denen mindesten 485 Menschen zum Teil schwer verletzt wurden, wurde auf Plan B umgeschaltet. Es wurde ein allgemeiner Zensus verwendet, damit die Wähler irgendein Wahllokal ansteuern konnten. Nur muss dabei per Internet geprüft werden, dass der Teilnehmer ordnungsgemäß aufgeführt ist.
Die Schlangen vor den Wahllokalen wurden wegen des repressiven Vorgehens nur noch länger. Statt abzuschrecken, wurden viele Menschen mobilisiert, die eigentlich nicht abstimmen wollten, wie die Galicierin Elisa erklärt.
Spanien schicke Bilder von blutigen Menschen um die Welt, die an die Diktatur und die »Epoche des Faschismus« erinnern, bemerkte auch der katalanische Regierungssprecher Jordi Turull. »Der Einsatz von Gewalt gegen Menschen, die friedlich wählen wollen, hat gezeigt, um was es heute hier geht: Demokratie«, erklärte Puigdemont.
Die Bürgermeisterin Barcelona, Ada Colau, die auch Stunden in einer Schlange ausgeharrt hat, forderte den Rücktritt des spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy. »Er hat alle roten Linien überschritten«, sagte Colau, die gegen die Unabhängigkeit ist. »Es ist absolut inakzeptabel, die Polizei auf die Bevölkerung loszulassen, die zwar mobilisiert ist, aber friedlich, vielfältig und wehrlos.« Kommentar Seite 4
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.