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Helden, Technik und Träume

Vor 60 Jahren brachte die Sowjetunion mit dem »Sputnik 1« den ersten Satelliten ins All

  • Thomas Körbel
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Schrecken des Kalten Krieges hängt friedlich in einem Moskauer Museum von der Decke. Auf der blank polierten Aluminiumoberfläche der Kopie von »Sputnik 1«, dem ersten künstlichen Satelliten im Weltraum, spiegelt sich der Betrachter. Kaum zu glauben, dass eine Metallkugel mit vier wie Tentakel abstehenden Antennen vor genau 60 Jahren die Welt in Aufruhr versetzen konnte.

Es waren leise Piepstöne, die am 4. Oktober 1957 weltweit mit normalen Radios zu empfangen waren - doch sie hatten die Wirkung eines Paukenschlags. Als die Sowjetunion den Satelliten »PS-1« ins All schickte, löste dies im Westen den »Sputnik-Schock« aus: Es war der Startschuss für den Wettlauf ins All zwischen den Supermächten USA und UdSSR. Heute gilt »Sputnik 1« (Begleiter) als Beginn der Raumfahrt-Ära. Und noch immer beflügeln die einstigen Erfolge die Raumfahrtnation Russland. Doch lautet das Credo nun: Zusammenarbeit.

»Wir sind sehr stolz darauf, dass dieses Fest kein rein russisches ist, sondern dass es von der ganzen Welt begangen wird«, sagt der Historiker Wjatscheslaw Klimentow. »Damit würdigt die Welt die Leistung der russischen Wissenschaftler«, sagt er der Deutschen Presse-Agentur.

Klimentow ist Vizedirektor des Raumfahrt-Museums in Moskau. Aufgelegt zu farbenfrohen Schilderungen über die Höhen und Tiefen der sowjetischen und der russischen Raumfahrt sitzt er an seinem Schreibtisch vor einem Gemälde des legendären Raketen-Chef-Konstrukteurs Sergej Koroljow, des Vaters von »Sputnik« und Co.

Dieser sagte 1963 in einem Interview, der »Sputnik«-Flug sei die Krönung von 30 Jahren Forschung gewesen. Dem Westen machte damals weniger der Satellit mit seinem harmlosen Piepsen Angst als die erst kurz zuvor erprobte Interkontinentalrakete vom Typ R7, mit der der Satellit ins All flog. Dass die Sowjetunion zu so etwas in der Lage war, führte den USA ihre Verwundbarkeit vor Augen.

Konstrukteur Koroljow ist für viele Etappensiege der Sowjets im kosmischen Rennen verantwortlich. Unter seiner Leitung startete Juri Gagarin als erster Mensch ins All, umrundete Valentina Tereschkowa als erste Frau die Erde und wagte sich Alexej Leonow als erster in einem Raumanzug aus seiner schützenden Kapsel ins freie Weltall. »Raumschiffe werden eines Tages immer tiefer ins Universum fliegen. Wir streben zu den Planeten unseres Sonnensystems, zu Mars und Venus«, hatte der Visionär Koroljow gesagt.

Seine Worte weisen bis heute Russlands Weg zu den Sternen. Gemeinsam mit dem europäischen Partner ESA erforscht die Raumfahrtbehörde Roskosmos den Mars, auch Roter Planet genannt. Ein vielschichtiges Mond-Programm ist in Planung, das bis etwa 2030 in der ersten Landung eines Kosmonauten auf dem Erdtrabanten gipfeln soll. Und erst 2016 hatte Russland mit Wostotschny im fernen Osten einen neuen Weltraumbahnhof eröffnet.

»Schon in den kommenden zehn Jahren müssen wir konkurrenzfähige, bahnbrechende Neuerungen vorstellen«, forderte Präsident Wladimir Putin kürzlich. Er will neue Materialien, Raketen und Raumkapseln entwickeln lassen. Russland müsse sein eigenes Potenzial ausbauen, aber auch die internationale Zusammenarbeit stärken, sagte Putin.

Doch große Durchbrüche gab es schon lange nicht mehr. Nach dem Zerfall der Sowjetunion plagten Pleiten, Pech und Pannen die russische Raumfahrt. Kritiker bemängeln, dass Russland bis heute alte Sowjet-Technik nutzt. Es gebe zu wenige Neuerungen.

»Ja, damals wurde eine Basis geschaffen, die ihrer Zeit voraus war. Davon zehren wir noch heute«, räumte Roskosmos-Chef Igor Komarow in der Zeitung »Iswestija« ein. Doch die Technik habe sich verändert. Beispiel Sojus-Raketen: »Das Steuerungssystem und alles Digitale - das ist eine völlig andere Rakete« als zu Koroljows Zeiten, sagte er.

Dass in den USA aufstrebende Milliardäre wie SpaceX-Gründer Elon Musk als Raumfahrt-Mäzene auftreten und mit wiederverwendbaren Raketen die Branche aufmischen, beobachtet Komarow mit Interesse. Auch er sieht die Zukunft in der Kooperation mit privaten Geldgebern. »Aber wir haben (in Russland) bislang noch keine großen Investoren«, sagte er.

Dafür hat Roskosmos passionierte Kosmonauten wie Sergej Rjasanski. Der Biochemiker arbeitet derzeit auf der Internationalen Raumstation (ISS). Bei einem Außeneinsatz im August setzte er einen Satelliten im Gedenken an »Sputnik« im All aus. Für ihn hatte die Symbolik etwas Persönliches, denn sein Opa war einer der »Sputnik«-Konstrukteure. »Das Signal des ersten Sputnik, das war seine Arbeit«, sagte Rjasanski.

Der Historiker Klimentow sieht auch in der Leistung von Raumfahrern wie Rjasanski einen Grund, warum nach 60 Jahren die Begeisterung für den Kosmos hoch ist. Sie wachse sogar, meint er. Es sei eine Mischung aus patriotischem Stolz und Faszination für die Unendlichkeit, die viele junge Menschen in ihren Bann ziehe. Genau da setze seine Arbeit an, sagt Klimentow: »In diesem Museum geht es nicht nur um Technik und Helden, es geht auch um Träume.« dpa/nd

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