Leiharbeit nimmt zu

Leiharbeit bedeutet beispielsweise für Bauarbeiter in der Regel: Sie schuften heute auf dieser Baustelle, nächste Woche auf einer anderen, sie werden schlechter bezahlt als die fest angestellten Kollegen, werden herumgeschubst, müssen die schmutzigsten Tätigkeiten erledigen, werden zuerst gefeuert, sind im Winter fast immer arbeitslos. Davon berichten Bauarbeiter, die das schon einmal durchgemacht oder zumindest mit angesehen haben. In anderen Bereichen sieht es nicht besser aus.

Trotzdem oder gerade deswegen: Die Leiharbeit, oft verharmlosend Zeitarbeit genannt, sie boomt. In Brandenburg erhöhte sich die Zahl der Firmen, die Arbeitskräfte verleihen, seit dem Jahr 2007 von 120 auf 217. Zusammen hatten diese Unternehmen im vergangenen Jahr 17 511 Beschäftigte unter Vertrag. Im Jahr 2007 waren es 7063. Zwar stieg der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst in der Branche von 1513 Euro auf 1862. Zu berücksichtigen ist dabei jedoch, dass Menschen, die einmal fest angestellt waren und dann als Leiharbeiter anzuheuern mussten, finanzielle Einbußen erlitten.

Die Zahlen stammen aus einer am Donnerstag verbreiteten Mitteilung des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg. Demnach stieg die Zahl der Leiharbeitsfirmen in Berlin von 205 auf 344, die der Leiharbeiter von 19 589 auf 38 378. In Berlin sank der durchschnittliche Monatsverdienst sogar: von 1500 Euro monatlich auf 1475. Bekanntlich sind in der Hauptstadt zeitgleich die Mieten extrem gestiegen.

Infolge der bis zum Jahr 2005 umgesetzte Agenda 2010 der damaligen rot-grünen Bundesregierung hatte die Zahl der Leiharbeiter auch in Berlin und Brandenburg sprunghaft zugenommen. Der Trend halte an, wenn auch »in abgeschwächter Form«, vermerkt das Statistikamt.

Die Statistik zeige, dass die Agenda 2010 »verheerende Folgen hat«, kommentierte der Landtagsabgeordnete Andreas Bernig (LINKE). »Normalarbeitsverhältnisse werden zugunsten prekärer Beschäftigung abgebaut.« Es sei kaum ein Trost, dass Leiharbeiter in Brandenburg vom 2015 eingeführten Mindestlohn profitierten. Denn dieser Mindestlohn - inzwischen 8,84 Euro pro Stunde -, sei »zu niedrig, um eine armutsfeste Rente zu erreichen«. Bernig bekräftigte die Forderungen nach zwölf Euro Mindestlohn und einer Beschränkung der Leiharbeit auf maximal drei Monate - danach Festeinstellung. Zudem sollte ein Zuschlag für die Flexibilität der Leiharbeiter gezahlt werden.

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