- Kommentare
- SPD
Zauberformel vergessen
Uwe Kalbe über die Sehnsucht der SPD nach Willy Brandt
Wenn die Lage wirklich verfahren ist, neigt mancher dazu, nach einer höheren Macht zu rufen oder sich wenigstens heimlich nach ihr zu sehnen. Bei der SPD ist die Lage verfahren. Kein Wunder also, dass jetzt jede nur denkbare Form von Panik zu beobachten ist. Von der Denunziation und dem Ruf nach (politischen) Opfern bis hin zu Sehnsuchtskundgebungen nach Übervater Willy Brandt ist da alles zu hören. Eine Schar von Zauberlehrlingen blickt starr vor Schrecken auf das steigende Wasser im Haus und sucht nach der Formel, die alles wieder in Ordnung bringt.
Wie sehr Willy Brandt der SPD fehlt, das werde jetzt besonders deutlich, sinnierte Wolfgang Thierse. Ja, was könnte die SPD vergessen haben, das Willy Brandt noch wusste? Diese Frage an sich selbst lehnt die SPD beharrlich ab, ihre Regierungsjahre seit 1998 betrachtet sie als Erfolgsgeschichte. Es sei irgendwann mal Zeit, sich auf die Aufgaben von heute und morgen zu konzentrieren, argumentierte die SPD mit ihrem Spitzenkandidaten im Wahlkampf noch, der ein Gerechtigkeitswahlkampf sein sollte, bei den Wählern aber nach kurzem Aufmerken als solcher nicht ankam. Was würde Willy tun? Was würde er sagen? Es ist tatsächlich müßig darüber nachzudenken. Genauso müßig, wie jemanden in Haftung zu nehmen für die eigene Politik, der mit dieser rein gar nichts zu tun hat.
Andere Zeitungen gehören Millionären. Wir gehören Menschen wie Ihnen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser*innen und Autor*innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.
Dank der Unterstützung unserer Community können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen ins Licht rücken, die sonst im Schatten bleiben
→ Stimmen Raum geben, die oft zum Schweigen gebracht werden
→ Desinformation mit Fakten begegnen
→ linke Perspektiven stärken und vertiefen
Mit »Freiwillig zahlen« tragen Sie solidarisch zur Finanzierung unserer Zeitung bei. Damit nd.bleibt.