Kubas Ökonomie gerät ins Stocken

Venezuelas Wirtschaftskrise wirkt sich auch auf den sozialistischen Inselstaat negativ aus

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 3 Min.

Trotz des boomenden Tourismussektors fällt die ökonomische Bilanz in Havanna nicht allzu positiv aus. Verantwortlich dafür ist zum einen die Krise in Venezuela, die zur Folge hat, dass weniger Erdöl nach Kuba gelangt. Zum anderen fällt die Bedienung der Auslandschulden schwer, analysiert der kubanische Ökonom Pavel Vidal. Investitionen kommen daher zu kurz und für die Beseitigung der Schäden von Hurrikan Irma ist kaum Geld im Katastrophenfonds der Insel vorhanden.

Ein Wachstum von 1,1 Prozent hat Kubas Wirtschaft in den ersten sechs Monaten diesen Jahres vorzuweisen. Das sei, so Vidal, angesichts der schwierigen Situation der Insel zwar ein Hoffnungsschimmer, aber aus der Rezession sei Kuba damit noch nicht raus. Die Krise in Venezuela mit den abnehmenden Erdöllieferungen, aber auch die sinkenden Einnahmen aus den Auslandseinsätzen von Ärzten, Technikern und Krankenschwester in Venezuela, Brasilien oder Angola machen der kubanischen Ökonomie und der Staatskasse zu schaffen, schreibt der kubanische Finanzexperte. Vidal lehrt im kolumbianischen Cali an der Javeriana-Universität und beobachtet von dort die Entwicklung auf der Insel.

Die ist trotz des anhaltenden Tourismusbooms wenig vielversprechend, denn das Handelsvolumen mit dem »Bruderstaat« Venezuela sank von über acht Milliarden US-Dollar vor einigen Jahren auf 2,2 Milliarden Dollar im vergangenen Jahr, teilte Kubas Statistikbehörde ONEI jüngst mit. Zudem sei es wahrscheinlich, dass die ökonomische Talfahrt Venezuelas anhalte und deswegen weitere negativ Folgen für den bilateralen Handelsaustausch habe, schreibt Vidal in seinem jüngsten, noch unveröffentlichten Artikel. »Bis Ende Juni ist der Erdölpreis erneut um zwölf Prozent unter das Niveau vom Dezember 2016 gesunken, wodurch die ökonomische Krise in Venezuela sich vertiefe«, so der Finanzexperte.

Dies sind sehr schlechte Nachrichten für Kuba, denn jenseits des Tourismussektors entwickelt sich die Wirtschaft auf der Insel nicht wie gewünscht. Ende Juli gab das Wirtschaftsministerium bekannt, dass die Exporte im ersten Halbjahr um 417 Millionen US-Dollar unter den Planungen gelegen hätten. Die Folge sei, dass Kuba Schwierigkeiten habe, die Zahlungsverpflichtungen gegenüber den Gläubigern des Pariser Clubs, Russland und anderen Ländern zu erfüllen. Das hat Priorität und deshalb müssen Kubas Lieferanten laut Vidal derzeit länger auf ihr Geld warten.

Immerhin kann die Regierung in Havanna immer noch ein leichtes Wachstum der Wirtschaft vermelden, das auf Zuwächse im Bausektor und in der Landwirtschaft zurückzuführen ist. Da schlägt sich nicht nur der Bau neuer Hotels wie dem jüngst eingeweihten »Gran Hotel Manzana Kempinski« nieder, sondern auch die Wohnungsbaumaßnahmen, die in Santiago de Cuba durchgeführt werden, um die Hurrikanschäden aus dem Jahr 2012 zu kompensieren. Der leichte Aufschwung in der Landwirtschaft bleibt jedoch weit hinter den Erwartungen zurück und reicht bei weitem nicht, um die teuren Importe an Lebensmitteln drosseln zu können.

Trotz der schwierigen Situation bei der Energieversorgung hat die kubanische Regierung davon abgesehen, mit Stromabschaltungen, den Apagones, zwangsweise Energie einzusparen. Das sicherte Präsident Raúl Castro trotz der finanziellen Sorgen auch öffentlich zu. Für viel Unruhe in Kuba hat allerdings die jüngst erfolge Aussetzung der Ausgabe neuer Lizenzen für Selbstständige gesorgt. Man wolle, so heißt es offiziell, Fehlentwicklungen korrigieren und Regelungen überprüfen.

Letzteres ergebe durchaus Sinn, meint Vidal gegenüber dem »nd«. Er hält viel davon, die privaten Unternehmer dazu anzuhalten, ihre Geschäfte mehr und mehr über die Banken statt in bar abzuwickeln. Doch die Ausgabe neuer Lizenzen auf Eis zu legen, kritisiert er: »Die Ausgabe neuer Lizenzen zu stoppen ist angesichts des wachsenden Tourismus und der ökonomischen Rezension kein geeignetes Signal.« Zumal sich die Rezession durch die massiven Schäden, die Hurrikan Irma im vergangenen Monat in Kuba angerichtet hatte, weiter vertiefen könnte.

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