Nicht schweigen
Hans-Gerd Öfinger über deutsche Gewerkschafter und das katalanische Drama
Beim Aufbegehren in Katalonien gegen den Zentralstaat geht es nicht um eine idyllische nationale Identität. Dafür sind demokratische und soziale Rechte umso mehr Triebfeder einer Bewegung von unten für eine Republik geworden, die sich auf Massenbeteiligung stützt. Fortschrittliche katalanische Gesetze gegen Zwangsräumungen, Stromsperren oder Gummigeschosse der Polizei werden von Madrid blockiert. Dem mit Flucht drohenden katalanischen Großkapital ist die Bewegung nicht geheuer. Es hätte zwar gerne mehr Geld für die Region, will vom Selbstbestimmungsrecht aber nichts wissen und stützt sich auf ein Dekret aus Madrid, das eine Verlagerung des Firmensitzes quasi über Nacht ermöglicht. Das spricht Bände.
Während viele schottische Nationalisten zur Queen stehen, könnte von Katalonien der Funke für die Abschaffung der Monarchie ausgehen. Die durch keine Wahl legitimierten Privilegien einer Familie sind kein Schnickschnack für Klatschblätter in Arztpraxen und Frisörsalons. Der König hat als Armeechef im Notstandsfall Sondervollmachten. Wie der Staat gegen Streikende vorgehen kann, zeigte im Fluglotsenstreik 2010 die Militarisierung der Flugsicherung. Erstmals seit Franco unterstellte eine Regierung die Fluglotsen dem Militär - ein gefährlicher Präzedenzfall.
Deutsche Gewerkschaften wären gut beraten, wenn sie das katalanische Drama vom Klassenstandpunkt aus betrachteten. Ein Sieg der korrupten Regierung Rajoy wäre Aufwind für Eliten, bürgerliche Rechte, wieder dreister auftretende Faschisten und andere Reaktionäre. Kein deutscher Gewerkschafter sollte jetzt schweigen.
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