Die Fußstapfen waren zu groß

Führungswechsel beim DGB Hessen-Thüringen

  • Richard Färber
  • Lesedauer: 3 Min.

Nun ist es amtlich: Dem DGB-Bezirk Hessen-Thüringen steht ein weiterer, nicht alltäglicher Führungswechsel bevor. Die drei Jahren amtierende Vorsitzende Gabriele Kailing (53) wird bei der Delegiertenkonferenz am 9. Dezember in Frankfurt am Main nicht mehr antreten. Ihrem unfreiwilligen Verzicht auf eine erneute Kandidatur ging ein langes Tauziehen hinter den Kulissen voraus.

Die aus der Industriegewerkschaft Bauen, Agrar, Umwelt (IG BAU) stammende Kailing war als einzige Bewerberin im Juli 2014 bei einer außerordentlichen Konferenz in Bad Hersfeld mit 89 Prozent der Delegiertenstimmen zur Bezirksvorsitzenden gewählt worden. Der Posten war vakant geworden, nachdem ihr langjähriger Vorgänger Stefan Körzell in den geschäftsführenden Bundesvorstand aufgerückt war. Die gelernte Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte war zuletzt als Abteilungsleiterin in der Frankfurter IG BAU-Zentrale tätig. Sie war dem Vernehmen nach vom DGB-Bundesvorsitzenden Reiner Hoffmann entdeckt und als Nachfolgerin ins Gespräch gebracht worden. Im damaligen IG-Metall-Bezirksleiter Armin Schild hatte sie einen besonderen Fürsprecher gefunden.

Seit ihrem Antritt habe sich jedoch gezeigt, dass sie den politischen Aufgaben einer DGB-Bezirkschefin in zwei wichtigen Bundesländern nicht gewachsen sei und nicht in Körzells Fußstapfen passe, so ein Insider auf nd-Anfrage. »Sie war schlicht und einfach überfordert.« Da mit der schwarz-grünen Landesregierung in Hessen und der rot-rot-grünen in Thüringen zwei politische Pilotprojekte im Amt seien, komme es umso mehr auf eine selbstbewusste und kritische Begleitung der Landespolitik durch den DGB und seine Einzelgewerkschaften an, so der Gewerkschafter.

Körzell hatte in seiner zwölfjährigen Amtszeit an der Spitze des DGB-Bezirks in der hessischen Landespolitik wichtige Akzente gesetzt. So beteiligte sich der Gewerkschaftsbund jahrelang tatkräftig an der Bewegung gegen die Einführung von Studiengebühren an staatlichen Hochschulen durch die damalige CDU-Alleinregierung unter Roland Koch. Dies trug zum Absturz der CDU in der Landtagswahl 2008 bei. Eine bis zur Neuwahl 2009 bestehende faktische Landtagsmehrheit von SPD, Grünen und LINKEN setzte mit der Abschaffung der Studiengebühren ein Zeichen, das bundesweit ausstrahlte. Als ein Vier-Parteien-Block aus CDU, SPD, Grünen und FDP zeitgleich mit der hessischen Kommunalwahl 2011 eine Volksabstimmung über die Aufnahme einer Schuldenbremse in die Landesverfassung ansetzte, widersprach der DGB-Bezirk diesem Ansinnen und machte sich in einem Aktionsbündnis mit Sozialverbänden gegen dieses Ziel stark. Dabei legte sich ein selbstbewusst auftretender DGB-Chef Stefan Körzell auch mit seinen SPD-Parteifreunden im Land an. Ähnliche Impulse und Konfliktbereitschaft hätten die Funktionäre unter Kailings Führung in der öffentlichen Auseinandersetzung immer mehr vermisst. »Drei Jahre lang wurde der DGB nicht mehr als starker Spieler wahrgenommen.« Seit Sommer hätten vor allem die Spitzen der im Öffentlichen Dienst verankerten DGB-Mitgliedsgewerkschaften verstärkt auf einen Führungswechsel gedrängt, so der Insider.

Als DGB-Bezirkschef für Hessen und Thüringen ist ver.di-Mitglied Michael Rudolph (37) vorgesehen, der bisher als DGB-Regionschef in Nordhessen wirkt. Insider gehen davon aus, dass der Thüringer Sandro Witt (36) von den rund 100 Delegierten als Vizechef des DGB-Bezirks bestätigt wird. Er übt das Amt seit Anfang 2014 aus. Rudolph hat ein SPD-Parteibuch, Witt ist LINKE-Mitglied.

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