»Sie schlagen alles, was sich bewegt«

In dem westafrikanischen Togo wird seit August gegen die Regierung demonstriert / Seit 1963 ist die gleiche Familie an der Macht

  • Bernard Schmid
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein afrikanisches Land, in dem ein Oktoberfest - auch Beer Fest genannt - stattfindet? Doch, das gibt es. Togo, im Westen Afrikas.

Wer nun aus deutscher Sicht glaubt, ein Paradies in tropischen Breitengraden gefunden zu haben, irrt. Das Oktoberfest von Lomé, der Hauptstadt des Landes, und die Verbreitung von Biersorten mit deutschen Wurzeln hängt mit der deutschen Kolonialherrschaft zusammen, die von 1884 bis 1918 dauerte. Politisch nimmt allerdings Frankreich eine stärker bestimmende Rolle ein, wie in anderen seiner früheren Kolonien und Protektorate, zu denen Togo von 1918 bis 1960 zählte. Für beide europäische Staaten gilt, dass die Zusammenarbeit mit dem Regime in Togo erhebliche Schattenseiten aufweist. Das westafrikanische Land zählte zu jenen Ex-Kolonien, die nach der Unabhängigkeit 1960 einen autonomen Weg zu beschreiten versuchten. Doch im Januar 1963 wurde der Premierminister des Landes, Sylvanus Olympio, ermordet. Seitdem regiert, bis heute, genau eine Familie.

Den Putsch von 1963 führte der Gendarmerieoffizier Gnassingbé Eyadema an. Er ließ sich dann 1967 zum Präsidenten ausrufen - und blieb es bis zu seinem Tod 2005. Daraufhin wurde sein Sohn Faure Gnassingbé zum Präsidentschaftskandidaten der Regierungspartei RPT erhoben. Im März 2005 ging er als »Sieger« aus einer Präsidentschaftswahl hervor, deren Ergebnisse von der Opposition als gefälscht bezeichnet wurden. Im Anschluss an Massenproteste forderte die Repression zwischen 500 und 1000 Todesopfer, wie eine UN-Untersuchungskommission bestätigte.

Heute begehrt die togolesische Bevölkerung wieder massenhaft gegen das amtierende Regime auf. Seit August dieses Jahres wächst der Straßenprotest gegen das amtierende Regime. Zunächst mobilisierte ein Aufruf des Oppositionsbündnisses CAP 2015, dann einer der Oppositionspartei PNP zu weiteren Protesten. Anlass war das Bekanntwerden der Pläne einer »Reformkommission« für die Organisierung der Parlamentswahlen 2018, die die Vormachtstellung der Regierungspartei RPT zu zementieren drohten.

Anfang September versprach die Regierung daraufhin, einer Vereinbarung der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS zuzustimmen, der zufolge die Zahl der Amtszeiten von Staatschefs auf zwei beschränkt werden soll. Das Regime fügte jedoch hinzu, die bislang absolvierten Amtszeiten sollten dabei nicht mitgezählt werden. Daraufhin wuchsen die Proteste wieder an. Am 7. September wurde ein wahres Menschenmeer von Demonstrierenden in Lomé verzeichnet. Das Regime ließ unterdessen den Zugang zum Internet im Land kappen.

Seit Dienstag dieser Woche finden neuerliche Demonstrationen trotz Verbots statt, die auch am Donnerstag anhielten. Am Mittwoch kamen ein Erwachsener, sowie laut Angaben der Opposition ein elfjähriges Kind in der Hauptstadt ums Leben. Ferner wurden 20 Menschen verletzt und 39 festgenommen. In Sokodé, der zweitgrößten Stadt, wurden drei Menschen erschossen. Die Oppositionspartei ANC - Teil des Bündnisses CAP 2015 - erklärte: »Die Sicherheitskräfte führen Strafexpeditionen durch und durchkämmen einzelne Häuser. Sie schlagen alles, was sich bewegt.«

Unterdessen zählt ein Artikel in der französischen Internetzeitung Mediapart vom 5. September »die deutsche Entwicklungszusammenarbeit«, neben der Regierung Frankreichs, zu den zuverlässigen Unterstützern der Regierung Togos. Hintergrund seien die Marktanteile deutscher Unternehmen in Togo. Dort aktiv sind unter anderem die deutschen Firmen HeidelbergCement und Bauer.

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