Heimatgedampfe
In der hiesigen politischen Debatte geht es neuerdings wieder um die Heimat. Bayern und Nordrhein-Westfalen haben bereits ein Heimatministerium. Heimat bedeutet in erster Linie, sich geborgen zu fühlen. Wie kann es da sein, dass ausgerechnet diese beiden Bundesländer in dieser Woche sich der Gründung einer sogenannten Auffanggesellschaft für die von Arbeitslosigkeit bedrohten 4000 Mitarbeiter der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin verweigerten? Das klamme Berlin erklärte sich dagegen bereit, wenigstens 1200 Verwaltungsmitarbeitern Air Berlins in solch einer »Auffanggesellschaft« eine vorübergehende Heimstatt zu gewähren.
Was Heimat ist, interpretiert jeder anders. »Die wahre Heimat ist eigentlich die Sprache«, meinte Wilhelm von Humboldt. Goethe dagegen definierte den Begriff so: »Alle diese vortrefflichen Menschen, zu denen Sie nun ein angenehmes Verhältnis haben, das ist es, was ich eine Heimat nenne.«
Vielleicht ist Heimat auch nie die um die unangenehmen Ereignisse gereinigte Erinnerung. Wer verbindet denn mit dem Zeitalter der Dampflokomotiven noch Gestank, Lärm und die holprige Fahrt auf harten Holzbänken? Die Dampflok steht heute im Museum (in Nordrhein-Westfalen und Bayern vermutlich gefördert von den jeweiligen Heimatministerien) und wird von den nachgeborenen Unwissenden bestaunt. Als am Nachmittag des 26. Oktober 1977 in den Rangierbahnhof von Emden (Niedersachsen) der Güterlokzug 043 903-4 einfuhr, war das Dampflokzeitalter in der Bundesrepublik definitiv zu Ende. Die DDR brauchte noch eine Weile, hier fuhr auf der Normalspur die letzte Dampflok im Oktober 1988. Die Emdener Dampflok steht heute vor dem Bahnhofsplatz der Stadt als Denkmal. Ob Nordrhein-Westfalen und Bayern planen, ein ausrangiertes Flugzeug von Air Berlin als Denkmal in ihren Landeshauptstädten aufstellen zu lassen, ist unbekannt, aber nicht ganz auszuschließen. jam Foto: imago/Arnulf Hettrich
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