Neue Enthüllungen zu den »Paradise Papers«

Journalisten werten 13,4 Millionen Dokumente aus Steuerparadiesen aus / 120 Politikern aus fast 50 Ländern betroffen / Kritik von Linkspartei und Oxfam

  • Lesedauer: 3 Min.

Washington. Nach den »Panama Papers« gibt es eine weitere Veröffentlichung zu Daten über Steuerschlupflöcher und womöglich brisanten Geschäftskontakte hochrangiger Persönlichkeiten. Nach einem Bericht der »Süddeutschen Zeitung«, die dem Journalisten-Netzwerk »International Consortium of Investigative Journalists« (ICIJ) angehört, geht es um Dokumente zu Briefkastenfirmen von einer auf den Bermudas gegründeten Anwaltskanzlei und einer Treuhandfirma in Singapur. Wie die Journalisten des ICIJ an die Daten, die auch Firmenregister von 19 Steueroasen enthalten sollen, kamen, wurde nicht preisgegeben. In den Daten sollen über ein Dutzend Berater, ein Kabinettsmitglied und Großspender von US-Präsident Donald Trump auftauchen. Dabei gehe es auch um Geschäftskontakte nach Russland.

Insgesamt gehe es um 13,4 Millionen Dokumente aus Steuerparadiesen weltweit, es würden die Namen von mehr als 120 Politikern aus fast 50 Ländern auftauchen, dazu Unternehmer, Sportler und Unternehmer. Auch zu Geschäftspraktiken einiger Weltkonzerne gebe es Informationen. »Das ist Staatsversagen, weil viele dieser Tricks legal sind«, sagt der Linkspartei-Abgeordnete Fabio de Masi. Um die Steuerflucht wirksam bekämpfen zu können brauche man Strafsteuern auf Finanzflüsse in Steueroasen sowie ein öffentliches Register der wirklichen Eigentümer von Briefkastenfirmen und Stiftungen. De Masi, der vor seinem Einzug in den Bundestag stellvertretender Vorsitzender des Panama Papers Untersuchungsausschuss des Europäischen Parlaments war, schlägt auch den den Entzug der Geschäftslizenz bei Beihilfe zu schwerer Steuerhinterziehung durch Banken, Anwälte und Wirtschaftsprüfer vor.

Appleby

Die Anwaltskanzlei Appleby gehört zu den Marktführern bei Offshore-Geschäften. Sie berät unter anderem Institutionen im Finanzbereich, private Unternehmen und »Personen mit hohem Eigenkapital«. Die Firma wirbt auf ihrer Homepage damit, dass sie eine Kombination von »Einfallsreichtum und Talent« aus den bedeutendsten Offshore-Finanzzentren repräsentiere. Appleby hat nach eigenen Angaben weltweit 470 Mitarbeiter, darunter 60 Partner. Fast jeder zweite Beschäftigte ist Jurist. Gegründet wurde die Firma auf den Bermudas. Sie hat weltweit zehn Büros, zum Beispiel in Steueroasen wie den Britischen Jungferninseln und der Isle of Man. dpa/nd

Oxfam nimmt unterdessen die Politik in die Pflicht. Die Bundesregierung und die Regierungen anderer EU-Staaten träten der weltweiten Steuervermeidung nicht energisch genug entgegen. Die jetzt bekanntgewordenen »Paradise Papers« müssten endlich ein Weckruf sein, betonte die Entwicklungsorganisation. »Regelmäßig zeigen Enthüllungsjournalisten, wie sich internationale Konzerne vor ihrem fairen Beitrag zum Allgemeinwohl drücken, und regelmäßig unterlassen es Regierungen, daraus Konsequenzen zu ziehen«, erklärte ihr Steuerexperte Tobias Hauschild. »Die Rechnung zahlen wir alle.« Den EU-Ländern entgingen durch Steuervermeidung von Konzernen Jahr für Jahr dreistellige Milliardenbeträge, Entwicklungsländern laut Schätzungen mindestens 100 Milliarden US-Dollar jährlich. Das sei ein Beitrag, der fast der weltweiten Entwicklungshilfe entspreche. »Dieses Geld fehlt dann für Bildung, Gesundheitsversorgung und soziale Sicherung.«

Das neue Datenleck wurde von den Autoren »Paradise Papers« getauft. Die auf den Bermudas ansässige Anwaltskanzlei Appleby hatte vor wenigen Tagen eingeräumt, dass möglicherweise illegal Datenmaterial dem ICIJ zugespielt worden sei; man habe entsprechende Medienanfragen bekommen. Die Firma betonte, auf legale Offshore-Praktiken zu setzen und im Einklang mit den Gesetzen zu handeln. Man nehme alle Vorwürfe »extrem ernst«. Nach sorgsamer und intensiver Prüfung sei man aber zu dem Ergebnis gekommen, dass es keinerlei Belege für Fehlverhalten seitens der Firma oder ihrer Klienten gebe. Appleby sprach nicht von einem Datenleck, sondern von einem illegalen »Cyber-Angriff«.

Erst Anfang Oktober hatte eine neue Studie von Wirtschaftswissenschaftlern ermittelt, dass Superreiche weltweit Vermögen im Wert von etwa 8,5 Billionen US-Dollar in Steueroasen verstecken. Wohlhabende Deutsche halten demnach Geldmittel im Umfang von 16 Prozent der Bruttoinlandsprodukts Deutschlands in Steueroasen wie den Bermudas und der Isle of Man versteckt. Agenturen/nd

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