Meuthen geht nach Brüssel

Warum der geplante Wechsel ins EU-Parlament für den AfD-Chef zum Problem werden könnte

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Es ist ein Schritt nicht ohne Risiko: AfD-Chef Jörg Meuthen will den frei gewordenen Sitz seiner Rechtsaußenpartei im Europaparlament übernehmen. Das erklärte er am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Stuttgart. Damit tritt der 56-Jährige die Nachfolge von Beatrix von Storch an, die es nach der Bundestagswahl Richtung Berlin zog. Wie zuvor die Deutsche-Presse-Agentur berichtete, hatte Meuthen am Montag zunächst den Fraktionsvorstand in Stuttgart über seine Pläne informiert. Nur noch bis Ende November bleibt er ihr Chef. Als Nachfolger für den Fraktionsvorsitz schlug er den AfD-Landtagsabgeordneten Bernd Gögel vor. Landtagsabgeordneter will Meuthen aber für eine Übergangszeit bleiben - jedoch ohne Abgeordnetendiät. »Es ist nicht vorgesehen, es für die gesamte Legislaturperiode zu behalten«, sagte er.

Im EU-Parlament wird Meuthen ziemlich allein sein: Vor drei Jahren war die AfD noch mit sieben Vertretern eingezogen, doch erste Spaltungstendenzen zeigten alsbald ihre Wirkung: Als der entmachtete Ex-Parteichef Bernd Lucke 2015 die Rechtsaußenpartei verließ, nahm er nicht nur sein Brüsseler Mandat mit, ihm schlossen sich auch vier seiner Unterstützer an, womit zunächst nur noch von Storch und Marcus Pretzell übrig blieben. Letzterer verließ die AfD bekanntlich gemeinsam mit Frauke Petry, die Vertretung der Rechten war damit auf nur noch eine einziges Mandat zusammengeschrumpft.

Weil die Regeln eine gleichzeitige Mandatsausübungen im EU-Parlament und im Bundestag verbieten, muss nun ein Nachfolger für von Storch gefunden werden. Meuthen war als Nachrücker eigentlich nur für einen sehr unwahrscheinlichen Fall vorgesehen: Auf den Listenplätzen vor ihm standen sowohl Marc Jongen als auch Paul Hampel. Doch weil beide ebenfalls in den Bundestag einzogen, kommt nun Meuthen mit Listenplatz 10 zum Zuge. Wie der Bundeswahlleiter am Dienstag der dpa mitteilte, haben sowohl Jongen als auch Hampel bereits erklärt, als Nachrücker nicht zur Verfügung zu stehen.

Ganz ungefährlich ist der Wechsel für Meuthen nicht: Das Schicksal seiner Vorgängerin könnte ihm eine Mahnung sein. Von Storch war am Wochenende auf dem Landesparteitag der Berliner AfD überraschend mit ihrer Wiederwahl zur Co-Vorsitzenden gescheitert. Einer der Vorwürfe: Sie habe in der Vergangenheit zu wenig Präsenz in ihrer Funktion als Landeschefin gezeigt.

Könnte Meuthen demnächst eine ähnliche Watsche drohen? Seinen Posten als AfD-Landeschef in Baden-Württemberg gab er bereits vor einem Jahr auf, auch um sich stärker seiner Rolle als Co-Vorsitzender der Bundespartei widmen zu können, die er seit dem Abgang Petrys allein führt. Diese Arbeit möchte Meuthen gerne fortsetzen, auf dem geplanten Bundesparteitag Anfang Dezember in Hannover stellt er sich einer Wiederwahl durch die Delegierten, die in der Vergangenheit allerdings mehrfach bewiesen, der Führungsspitze keine Fehler nachzusehen.

Gestolpert war Meuthen in der Vergangenheit wiederholt: Führungsschwäche zeigte er etwa im Streit um antisemitische Äußerungen des früheren AfD-Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon, in dessen Folge die Stuttgarter Fraktion zeitweise zerbrach. Ausgerechnet Petry bezog in der Affäre frühzeitig klare Position und griff vermittelnd in den Streit ein. Auch in der aktuellen Auseinandersetzung mit dem AfD-Politiker Heinrich Fiechtner machte Meuthen bisher keine besonders gute Figur. Die Fraktion hatte dem Abgeordneten Redeverbot im Plenum erteilt und ihm zudem aus zwei Landtagsausschüssen abgezogen. Dagegen klagte Fiechtner und bekam Ende Oktober Verfassungsgerichtshof des Landes Baden-Württemberg recht. Eine Eskalation, die sich besonders Meuthen in seiner Rolle als Fraktionschef anrechnen lassen muss.

Wie viel Zeit er seinen Aufgaben als Bundesvorsitzender zukünftig noch widmen kann, ist unklar. Meuthen verkündete am Dienstag einen ambitionierten Plan: Er wolle die AfD auf europäischer Ebene wieder stark machen. Dafür strebt er an, mittelfristig die Führung der bisherigen EFDD-Fraktion um den britischen Rechtspopulisten Nigel Farage von der Ukip zu übernehmen. Nach dem Brexit wird Ukip nicht mehr im EU-Parlament vertreten sein. Meuthen sieht seine Aufgabe nun darin, die Zeit bis zur Europawahl 2019 zu nutzen, um möglichst viele europäische Rechtsaußenparteien hinter sich zu versammeln.

Ein politisches Opfer kostete die Entscheidung Meuthens bereits. Als Reaktion auf den Wechsel des AfD-Chefs ins Europaparlament will sich dessen aus Bayern stammender Parteifreund Dirk Driesang aus der aktiven Politik zurückziehen. »Ich hätte mich sehr gefreut, im Europaparlament zu sein. Ich bin ein bisschen traurig«, sagte Driesang der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« (Mittwoch). Hätte Meuthen auf das Mandat verzichtet, wäre Driesang gemäß der Wahlliste der nächste Nachrücker gewesen. Driesang ist Mitglied des AfD-Vorstandes und war 2014 bei der Europawahl Spitzenkandidat in Bayern.

»Für mich bedeutet das, dass ich mich aus der aktiven Politik zurückziehe«, betonte er. Bei der nächsten Vorstandswahl im Dezember werde er sich nicht mehr zur Wahl stellen. Stattdessen wolle er sich wieder seinem Beruf als Opernsänger widmen. Ohne Abgeordnetenmandat könne er sich nicht an Wochenenden der Parteiarbeit widmen, wenn dann einerseits Parteitage und Versammlungen anstünden, andererseits aber auch Opernproben und Vorstellungen. mit Agenturen

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