- Politik
- 50 Jahre Unabhängigkeit Mosambiks
Von der sozialistischen Vision bis zur Bereicherung der Elite
Vor 50 Jahren wurde Mosambik unabhängig. Ein persönlicher Rückblick auf die bundesdeutsche Solidaritätsarbeit und den Koordinierungskreis Mosambik
Es ist der 19. Oktober 1986. Die Nachrichten vermelden den Tod des mosambikanischen Präsidenten Samora Machel und mehrerer Regierungsmitglieder durch einen Flugzeugabsturz auf dem Rückflug von Sambia nach Maputo. Wir, das sind Mitglieder der Freundschaftsgesellschaft »Koordinierungskreis Mosambik« (KKM), sind geschockt. Über die Ursachen des Absturzes in den südafrikanischen Lebombobergen ranken sich viele Vermutungen. Sie gehen aus von einer bewussten Sabotage durch den südafrikanischen Geheimdienst, über ein Versagen des sowjetischen Piloten, bis hin zu Manipulation des Flugradars in Maputo, von Kreisen, die mit der Politik Machels nicht einverstanden waren.
Ein paar Tage später erhalte ich vom parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktion der Grünen einen Anruf mit der Frage: Würdest du als Vertreter für die Grünen und natürlich des KKM an den Trauerfeierlichkeiten für Samora Machel in Maputo teilnehmen?
Fünf Tage später befinde ich mich im Flugzeug nach Mosambik, zusammen mit Regierungsdelegationen der unterschiedlichsten Länder. Die Situation in Maputo ist extrem angespannt. Die Ursachen des Absturzes der Präsidentenmaschine sind bisher nicht ausreichend analysiert, und es ist unklar, ob Südafrika den Tod von Samora Machel nutzen könnte, um in Mosambik militärisch zu intervenieren.
Seit der Unabhängigkeit Mosambiks 1975 war ich bereits mehrmals dort gewesen, immer im Rahmen unserer Solidaritätsarbeit für das neue, unabhängige Mosambik. Schon während dieser Reisen wurde ich mit allerlei Widersprüchen konfrontiert, denen die Befreiungsbewegung Frelimo, nun als Regierung eines unabhängigen Mosambiks, ausgesetzt war. Aber der Reihe nach.
Anfänge der Solidaritätsarbeit
Die Solidaritätsarbeit in Westdeutschland hatte schon vor der Unabhängigkeit Mosambiks begonnen. Über ein breites politisches Spektrum hinweg hatte sich eine Bewegung gebildet, um gegen die Waffenlieferungen der BRD an den sich im Kolonialkrieg befindenden Nato-Partner Portugal zu demonstrieren. Weiterhin richteten sich die Proteste gegen die Beteiligung deutscher Firmen am Bau des Cahora-Bassa-Staudamms und gegen die Absicherung ihrer Investitionen durch staatliche Hermesbürgschaften. Die westdeutschen Solidaritätsgruppen pflegten zu jener Zeit enge Kontakte zu den Befreiungsbewegungen, luden deren Vertreter*innen ein, um Belege über die Waffenlieferungen zu präsentieren und um auf Veranstaltungen für ihren Kampf um die Unabhängigkeit zu werben.
Mosambik wurde offiziell am 25. Juni 1975 unabhängig. Zu den Unabhängigkeitsfeiern lud die Frelimo Vertreter*innen von Staaten ein, die sie unterstützt hatten, darunter auch den Botschafter der DDR. Aus der Bundesrepublik waren keine staatlichen Repräsentanten willkommen, weil die Bundesregierung Waffen an die Kolonialmacht Portugal geliefert hatte und den Bau des Cabora-Bassa-Staudamms in Mosambik wirtschaftlich förderte. Allerdings waren Aktivist*innen der Solidaritätsgruppen eingeladen: Christa Brandt und Wolff Geisler waren somit die einzigen Teilnehmer*innen der Feierlichkeiten aus der BRD. Sie wurden im Präsidentenpalast von Samora Machel empfangen und begrüßt. Beide waren Mitglieder des »Komitees für Angola, Guinea-Bissau und Mosambik«. Geisler, ein junger Arzt aus Göttingen, hatte schon 1971 auf der Aktionärsversammlung von Siemens gegen den Cahora-Bassa-Staudamm demonstriert und deutete dort als Redner an, dass »an keinem anderen Projekt in der Geschichte der Bundesrepublik sich derart klar die Brutalität und die unverhüllte Profitgier des kapitalistischen Systems zeigen« lasse. nis
Als es dann am 25. Juni 1975 in Mosambik so weit war, die Unabhängigkeit ausgerufen wurde und die Befreiungsbewegung Frelimo mit ihrem Präsidenten Samora Machel die Regierung übernahm, sahen wir einen wichtigen Schritt erreicht: die Befreiung Mosambiks vom portugiesischen Kolonialismus und die Hoffnung auf Freiheit, Gerechtigkeit und Teilhabe am Reichtum des Landes für alle seine Bewohner.
Nach der Unabhängigkeit 1975 herrschte in Mosambik große Aufbruchstimmung. Die neue Regierung der Frelimo wollte ihre sozialistische Vision – ein Ende von Hunger, Gleichheit für alle – landesweit verwirklichen. Doch der junge Staat stand vor enormen Problemen: Es fehlte an ausgebildetem Personal in allen zentralen Bereichen wie in Verwaltung, Wirtschaft, Recht oder Gesundheit. Viele Portugiesen, vorher zentrale Stützen von Verwaltung und Wirtschaft, hatten nach Verstaatlichungsankündigungen fluchtartig das Land verlassen oder mit Sabotage reagiert.
Wir als Solidaritätsbewegung beschlossen deshalb, das unabhängige Mosambik mit Fachkräften zu unterstützen und gründeten dazu ein Netzwerk, den KKM. Über den Weltfriedensdienst und Dienste in Übersee, beide anerkannte Entsendeorganisationen nach dem Entwicklungshelfer-Gesetz, wurden die ersten Fachkräfte nach Mosambik entsandt.
Da die westliche Staatengemeinschaft auf das Experiment Mosambiks, eine sozialistische Wirtschaft und Gesellschaft aufzubauen, eher behindernd reagierte, versuchte die neue Regierung mit allen Mitteln von außen Unterstützung zu erhalten.
Während der Trauerfeier stand ich zwischen Jassir Arafat und der Tochter von Ronald Reagan.
Michael Hagedorn Mitglied im Koordinierungskreis Mosambik
Im März 1981 besuchte ich deshalb Mosambik im Rahmen der Einladung der Frelimo an europäische Solidaritätsgruppen, um für das von Samora Machel ausgerufene Beispielprojekt Niassa Unterstützung zu erhalten, das als Modell für die zukünftige Entwicklung Mosambiks dienen sollte. Im Ort Unango trafen wir auf dort angesiedelte, rehabilitierte Bewohner aus den Umerziehungslagern, ohne allerdings direkt mit ihnen in Kontakt treten zu können. Stattdessen stellten uns sowjetische Agrarberater und Vertreter der Provinzregierung das riesige 400 000 Hektar große landwirtschaftliche Entwicklungsprojekt vor. Alles schien zentral auf dem Reißbrett geplant worden zu sein. Kritischen Fragen unsererseits, ob die Ansiedlung der Menschen dort freiwillig geschehen war, oder ob so ein riesiges Entwicklungsprojekt nicht an den lokalen Bedingungen der kleinbäuerlichen Landwirtschaft vorbeiginge, wurde ausgewichen. Es stellte sich bald heraus, weder die großen landwirtschaftlichen Komplexe noch die Planwirtschaft in den Gemeinschaftsdörfern (»Aldeias Comunais«) führten zur gewünschten Versorgung der Bevölkerung mit genügend Nahrungsmitteln.
In mir kamen erste Zweifel an dem bisher sehr idealisierten Bild der Frelimo auf, die es zwar geschafft hatte, den portugiesischen Kolonialismus zu besiegen und Mosambik und seine Menschen in die Unabhängigkeit zu führen, aber nun eine Entwicklung vorantrieb, die völlig abgehoben war, ohne die wirklichen lokalen Bedingungen zu berücksichtigen.
Als Solidaritätsbewegung versuchten wir dennoch, mit unseren begrenzten Mitteln, materielle Unterstützungsarbeit zu leisten. Es entstanden etwa 30 Schulpartnerschaften, die durch die Finanzierung des Baus von Klassenräumen und die Ausstattung mit Schulmaterialien einen Beitrag für eine bessere Bildung der Kinder auf dem Land leisteten.
Mosambik nach der Unabhängigkeit
Doch in der Zwischenzeit hatte der Geheimdienst des Nachbarlands Rhodesien damit begonnen, eine paramilitärische Bewegung, die MNR, den Vorläufer der Renamo aufzubauen, mit dem Ziel, Mosambik zu destabilisieren. In der Folge kam es zum Bürgerkrieg, der durch Kämpfe und Hungerkatastrophen bis zu 900 000 Menschenleben kostete und durch den über fünf Millionen Zivilisten vertrieben wurden. Viele Schulen wurden zerstört und Kinder als Kindersoldaten verschleppt.
Nach der Unabhängigkeit Zimbabwes im Jahr 1980 übernahm das südafrikanische Apartheidregime die Unterstützung der Renamo von außen. Zum einen sollte die politische Stabilität im sozialistischen Nachbarstaat geschwächt, zum anderen verhindert werden, dass der oppositionelle African National Congress dort militärische Basen errichtet.
Von innen rekrutierte sich die Renamo aus unzufriedenen Frelimo-Anhängern und Menschen, die von dem repressiven Vorgehen der Frelimo gegen Andersdenkende abgeschreckt waren. Offiziell sollte die »koloniale Mentalität« ausgemerzt und der »neue Mensch« geschaffen werden. Doch leider geschah dieses unter anderem durch die Deportation von Tausenden Mosambikaner*innen in sogenannte Umerziehungslager. In ihnen wurden die Verschleppten einem »Umerziehungsprozess« unter menschenunwürdigen Bedingungen unterworfen.
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Was dieser Bürgerkrieg bedeutete, erfuhr ich selbst, als wir 1984 für das Welthaus Bielefeld ein Projekt zur Elektrifizierung des Schulzentrums von Boroma in der Provinz Tete vorbereiteten. Um dorthin zu gelangen, waren wir nach Harare geflogen, hatten dort ein Auto gemietet, uns mit Lebensmitteln versorgt und waren dann in einem Militärkonvoi von Zimbabwe nach Tete gefahren.
Der Konvoi war immer wieder angegriffen worden und deshalb bewegten wir uns mit einem mulmigen Gefühl inmitten einer Kolonne von über 50 Lkw und dazwischen schwerbewaffneten Panzerfahrzeugen auf einer schlechten Straße durch die Berge zwischen Zimbabwe und Mosambik, wohlwissend, dass der »Feind« alles im Auge hatte und jederzeit angreifen konnte. In Boroma angekommen, erfuhren wir, dass es in der Umgebung immer wieder Überfälle auf Dörfer und Schulen gegeben hatte. Zur gleichen Zeit berichteten viele Partnerschaftsschulen des KKM auch von Überfällen in anderen Provinzen, so in Manica, Sofala und Cabo Delgado.
Der Bürgerkrieg zwang das Land in die Knie und verhinderte jeglichen Aufbau, da selbst die erhoffte Unterstützung aus der Sowjetunion ausblieb. Diese hatte 1981 das Aufnahmegesuch Mosambiks in den Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe, das osteuropäische Pendant zur EWG, abgelehnt. Somit konnten die enormen Verluste des Bürgerkrieges durch Wirtschaftshilfe nicht kompensiert werden. Im März 1984 schloss Präsident Samora Machel deshalb das sogenannte Nkomati-Abkommen, einen Nichtangriffspakt zwischen Südafrika und Mosambik. Trotzdem gingen die Überfälle der Renamo weiter. Zweieineinhalb Jahre später kam Samora Machel ums Leben.
Internationale Trauerfeier für Machel
400 Delegationen aus der ganzen Welt waren angereist und erboten dem ersten Präsidenten eines freien Mosambiks ihre letzte Ehre. Aus Deutschland bestand die Delegation aus dem Afrikabeauftragten der Bundesregierung, Hans-Günter Sulima, sowie dem ehemaligen Bundesminister für die Entwicklungszusammenarbeit, als Vertreter der SPD, Rainer Offergeld und mir, sozusagen der »Exot« als Vertreter der Grünen und der Zivilgesellschaft. Während der Trauerfeier stand ich auf der einen Seite neben Jassir Arafat, dem damaligen Präsidenten der palästinensischen Autonomiebehörde und auf der anderen neben der Tochter von US-Präsident Ronald Reagan. Größer hätte das Spektrum nicht sein können. Neben einem Empfang beim damaligen deutschen Botschafter, der beklagte, dass die Grünen aufgrund ihres Verhältnisses zur mosambikanischen Regierung besser informiert seien als er, wurde ich am Ende meines Aufenthalts in der Frelimo-Parteizentrale zu einer Audienz mit Joaquim Chissano eingeladen, der am nächsten Tag zum Präsidenten und Nachfolger Samora Machels gewählt wurde. Chissano betonte, wie wichtig die Solidaritätsbewegungen in Europa für Mosambik seien und dass die Frelimo auf uns zählen würde, im Kampf gegen jene, die versuchten, Mosambik zu verunmöglichen, seine Ziele zu verwirklichen.
Destabilisierung durch Südafrika und seine deutschen Helfer
Diese Bitte hatte konkrete und berechtigte Hintergründe, denn es gab diverse Hinweise, dass die Renamo aus der Bundesrepublik Unterstützung erhielt. Über die Bundestagsfraktion der Grünen hatten wir kleine Anfragen an die Bundesregierung gestellt. Hierbei ging es auch um die Bekanntmachung von besonderer Unterstützung der Renamo seitens politischer und nachrichtendienstlicher Netzwerke rund um den bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, die finanzielle Unterstützung der Renamo durch den Bundesnachrichtendienst für Waffenkäufe, für deren Büro und für ein Renamo-Gipfeltreffen in Heidelberg, an dem die gesamte Führung teilgenommen hatte.
In der Zwischenzeit intensivierte Südafrika seine Aggression gegen die Nachbarstaaten, doch die Weltöffentlichkeit nahm davon wenig Notiz. Deshalb organisierte die deutsche und europäische Solidaritätsbewegung eine breite Informationskampagne.
In Deutschland lancierten wir einen Aufruf an Prominente aus Öffentlichkeit und Kultur, um sie für das Thema zu gewinnen. Ihm folgten Wolfgang Niedecken von der Kölner Deutschrock-Band BAP sowie die Sängerin Ina Deter. Mit beiden Bands flog ich im März 1988 nach Mosambik.
Es war das erste Mal, dass westliche Rockgruppen in Mosambik auftraten. Unter abenteuerlichen Bedingungen – alles Equipment musste zusammengeliehen werden – fand ein Konzert in Maputo statt. Wir besuchen Flüchtlingslager, wurden über das Problem der Kindersoldaten informiert und in Beira fand eine Jam-Session mit deutschen und mosambikanischen Musiker*innen statt. Die deutsche Presse berichtete.
Als weitere bedeutende Unterstützung der Solidaritätsbewegung für Mosambik und auch für Angola fand im Dezember 1988 in Bonn die ECASAAMA-Konferenz (»European Conference Against South Africas Aggression Against Mozambique and Angola«) mit 400 Teilnehmer*innen und hochrangigen Delegationen aus dem Südlichen Afrika statt. Zur mosambikanischen Delegation gehörten der damalige Informationsminister José Luís Cabaço, der später ermordete Journalist Carlos Cardoso und der Maler Valente Malangatana. Er widmete der Konferenz ein Gemälde, das er während der Konferenz malte.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Solidaritätsbewegung auf vielfältige Weise versucht, das unabhängige Mosambik zu unterstützen. Geboren aus der Idee, Fachkräfte für den Aufbau Mosambiks zu entsenden, hatte sich ein Netzwerk etabliert für eine lebendige und vielfältige Verbindung zwischen Menschen und Organisationen in Deutschland und Mosambik. Es war geprägt durch eine starke Verbindung zu Regierungsstellen in Mosambik, über die die Zusammenarbeit gesteuert wurde.
Im Zuge der weiteren Entwicklung in Mosambik stellten sich jedoch für die Solidaritätsbewegung immer mehr Fragen: Mit wem wollen wir solidarisch sein? Wenn wir die Regierung unterstützen, sind wir dann noch auf der Seite der Mehrheit der Menschen Mosambiks?
Mosambik auf dem Weg zu einer Autokratie
Seit Mitte der 1980er Jahre begann Mosambik sich sehr stark zu verändern. Präsident Chissano hatte begonnen, marktwirtschaftliche Reformen einzuleiten und Mosambik für internationale Investitionen geöffnet. Es war ein Strukturanpassungsprogramm mit dem IWF vereinbart worden, das kurzfristig der Wirtschaft einen Aufschwung ermöglichte, von dem aber vor allem Eliten und nicht die breite Bevölkerung profitierten. 1990 bekam Mosambik eine neue Verfassung, die ein Mehrparteiensystem vorsah und die Grundlage für freie Wahlen bildete.
Bei den ersten Wahlen 1994 wurde die Frelimo mit 52,3 Prozent zwar die stärkste der beiden Parteien, doch die Renamo kam ihr bedrohlich nahe.
Von diesem Zeitpunkt an setzte die Frelimo alles daran, weitere Wahlen derart zu beeinflussen, dass ihr Machterhalt nicht gefährdet würde. Manipulation bei den Auszählungen, Einschüchterung von Wahlhelfern, Missbrauch staatlicher Ressourcen sowie Einflussnahme auf Gerichte und Wahlkommission waren und sind noch heute an der Tagesordnung. Selbst vor Morden an Oppositionellen und Aktivisten wurde nicht zurückgeschreckt.
So sicherte sich die Frelimo die Dominanz über den Staat, die Wirtschaft und gesellschaftliche Schlüsselbereiche, trotz formaler Gewaltenteilung. Parallel zum offiziellen Wachstum entstand ein System aus Korruption, Vorteilsnahme und Bereicherung der Frelimo-Elite. Politische Entscheidungsträger sicherten sich lukrative Beteiligungen und Landrechte, während multinationale Firmen von Steuererleichterungen profitierten. Eine große Schattenwirtschaft aus illegalem Rohstoffhandel, Drogen, Geldwäsche und Entführungen floriert bis heute. Vor allem in Maputo wuchs sichtbar der Luxus – während die Mehrheit der Bevölkerung bis heute weiterhin in bitterer Armut lebt.
2017 brach in der Provinz Cabo Delgado ein bewaffneter Konflikt aus, der bis heute andauert. Die Entdeckung großer Erdgasvorkommen hatte zu Landvertreibungen geführt und die soziale Ungleichheit verstärkt. Obwohl er meist als »islamistischer Aufstand« bezeichnet wird, liegen seine Ursachen in extremer Armut, fehlenden Chancen für Jugendliche, regionaler Ungleichheit, ethnischen Spannungen und staatlicher Vernachlässigung. Der Konflikt zwang sogar das größte Flüssiggas-Projekt auf dem afrikanischen Kontinent des französischen Multis Total Energies, den Bau seiner Anlagen zu stoppen und die Baustelle mit ruandischem Militärschutz zu sichern.
Die jüngste Krise entstand durch die sehr dreist manipulierten Wahlen von Oktober 2024. Sie führten zu großen landesweiten Protesten, bei denen über 350 Menschen aufgrund des brutalen Vorgehens der Sicherheitskräfte ums Leben kamen und Tausende verhaftet wurden. Viele junge Menschen – die Mehrheit der Bevölkerung – verbinden Frelimo heute nicht mehr mit Befreiung, sondern mit Korruption, Repression und der Bereicherung einer kleinen Elite.
Solidarität im Wandel
Die Solidaritätsarbeit zu Mosambik hatte vor der Unabhängigkeit begonnen und hat es geschafft, bis heute eine intensive und kontinuierliche Beziehung zwischen Menschen in Mosambik und Deutschland aufrechtzuerhalten.
Allerdings wandelte sie sich im Laufe der Zeit. Zu Beginn bestand eine sehr enge Beziehung mit der Frelimo und offiziellen Regierungsstellen. Lange Zeit identifizierten wir uns in der Solidaritätsbewegung mit dem offiziellen Narrativ der Frelimo und wollten Zweifel, wenn sie zuweilen auftauchten, nicht nachgeben. Denn mit dem Beginn unserer Bewegung, Anfang der 70er Jahre, hatten wir unsere eigenen Träume und politischen Ziele von Antiimperialismus und gesellschaftlichem Wandel auf die Befreiungsbewegungen in der sogenannten »Dritten Welt« projiziert.
Inzwischen ist aber durch vielfältige Berichte und Analysen bekannt, was der mosambikanische Analyst João Mosca in seinem Buch über die Frelimo resümiert: »Die Frelimo hat seit ihrer Gründung ein starkes Gefühl der Machtmonopolisierung an den Tag gelegt und zu dessen Erlangung und Verteidigung alle notwendigen Mittel eingesetzt: interne Kritik, Säuberung der Reihen, körperliche Bestrafungen, Ausweisungen, Verschwindenlassen von Personen, Erschießungen und Morde.« So ist der heutige Machterhalt mit autoritären, autokratischen und grausamen und menschenrechtsverachtenden Methoden im Grunde genommen nichts Neues, sondern in der DNA der Partei immer vorhanden gewesen.
In der Solidaritätsarbeit hält der KKM weiterhin intensiven Kontakt und Austausch mit Menschen in Mosambik, konzentriert sich aber auf kritische Reflexion und auf Kooperation mit Organisationen und Einzelpersonen der mosambikanischen Zivilgesellschaft, Kirchen, Schulpartnerschaften, Kulturschaffenden, kritischen Journalisten und Analysten.
Michael Hagedorn, Jahrgang 1952, ist Sozialwissenschaftler mit Schwerpunkt Entwicklungszusammenarbeit. Die Mosambik-Solidarität bestand in den 1970er Jahren aus einem breiten Spektrum von politischen, antiimperialistischen Gruppen bis hin zu kirchlichen Organisationen und engagierten Einzelpersonen. Der KKM hatte etwa 30 Schulpartnerschaften und bis heute gehören ihm 150 Einzelmitglieder und Organisationen an.
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