Indieviduell

Zimt & Zwanie Jonson

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 3 Min.

In Zeiten der durchgenormten Mitklatschmusik für die Massen bewahren sie immerhin den Charme der Einfachheit und des unbekümmerten Drauflosmusizierens: Das vor zwei Jahren in Augsburg gegründete Trio Zimt mutet zwar ein bisschen so an, als hätten seine Mitglieder ihre Instrumente erst vor ein paar Wochen erlernt, aber das muss nicht immer schlecht sein. Im Gegenteil. Vom Geist des Punkrock lernen heißt zwar verlieren lernen, aber zu gewinnen gibt es ja heutzutage ohnehin nichts mehr. Eine Handvoll harmonisch quietschender Keyboards, ein Schlagzeug und ein wahlweise halbfröhlicher oder halbtrauriger zweistimmiger Gesang (Janina und Isabella), fertig ist die deutschsprachige College-Popband der Gegenwart. Mit der Schubladisierung des eigenen Stils scheint man in der Band keine Probleme zu haben: »Wir machen Indie-Pop, der sehr 80er- und New-Wave-lastig klingt«, sagte die Keyboarderin, Gitarristin und Sängerin Janina Kölbl beispielsweise der »Augsburger Allgemeinen«.

Der unfertig wirkende Melancholie-Pop von Zimt wird durchweht von mehr als nur einem Hauch jener meist halbzögerlichen, halbkommerziellen, halbmelodischen und halberfolgreichen 80er-Jahre-Kunststudenten-Bands, die Popmusik vor allen Dingen als Form der Poesie verstanden wissen wollten: Man denkt also unwillkürlich an die legendären britischen Young Marble Giants, an die australischen Go-Betweens oder die US-amerikanischen Feelies.

Zimt besingen unter anderem die Folgen der Zurichtung und Abstumpfung des Einzelnen durch eine Gesellschaft, in der jede und jeder nur als Humanressource und Konsument begriffen wird und in der auch die viel gerühmte »Individualität« stets nur die des dressierten Marktsubjekts und Kulturindustrieopfers ist, das seine vermeintliche Individualität durch Konsum ausagiert: »Gestern hab ich dich noch gemocht / Und heute bist du mir schon egal / Die Krankheit der Zeit ist Empathielosigkeit / Individuell kannst du auch zuhause sein / Zusammen denken, fühlen und leben wir auch gleich / Ich weiß gar nicht, wie du mit Nachnamen heißt / Doch das ist mir auch egal / Du bist ein Teil der Krankheit der Zeit.«

Produziert hat das Debütalbum ein gewisser Zwanie Jonson. Dieser spielte früher bei Livekonzerten das Schlagzeug für Bands wie Die Fantastischen Vier oder Fettes Brot, aber auch für Wolf Maahn und Helen Schneider. Man merkt: Der Musiker ist nicht mehr der Jüngste. Umso erstaunlicher also, dass der Hamburger erst jetzt so etwas wie eine zweite Karriere als Solokünstler beginnt. Vor Kurzem arbeitete er mit Andreas Dorau an maximal einminütigen Songs, die nur aus einem Refrain bestehen. Sein bereits vor ein paar Monaten erschienenes wunderbares drittes Album zitiert die großen Pop-Entwürfe der 70er Jahre, von Soul über Bombastpop bis Disco.

Zimt: »Glückstiraden« (Tapete)

Zwanie Jonson: »Eleven Songs for a girl« (Staatsakt/Caroline International)

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