Weiser böser Blick

H.-M. Rehberg tot

  • hds
  • Lesedauer: 2 Min.

Wenn die Theologie nicht zu ergründen weiß, wer einsamer sei, Gott oder Mensch - wer diesen hageren, höllengrundgrabenden Spieler sah, der wusste, dass es der Mensch ist. Der außergewöhnliche Hans-Michael Rehberg, brillierend bei Peter Zadek und Andrea Breth, bei Claus Peymann und Hans Neuenfels, bei Luc Bondy und Peter Stein - er wirkte in düsterster Klarheit gemergelt wie aus Marmor und war meist Adel der Verlorenheit. An Berlins Schaubühne, in Brechts »Dickicht der Städte«, ein Shlink mit Nüsterndampf und voll zäher Romantik des Verdorbenen. In Armin Holz’ »Salome«, ebenfalls in Berlin, war er ein leicht seniler Herodes, aber durchsetzt von einer eisigen Ironie der blitzschnellen Erkenntnisse, und in die Blutleere des königlichen Ausdrucks schoss immer wieder eine Flutwelle Gefährlichkeit hinein - kein König Lear, aber König Gier. Und beim Titus Andronicus, vor Jahren am Deutschen Theater, da wuchs ein Gesicht mählich in den todkündenden Knitter, eine Seele fand im Wahnsinn zu ihrem letzten großen Erwachen.

Das Pathos zitterte sich weich, die Schwäche brüllte sich stark - das konnte dieser großartige Schauspieler, 1938 in Fürstenwalde/Spree geboren, jahrelang (und auch zuletzt) Darsteller am Bayerischen Staatsschauspiel in München. Dazwischen Stuttgart und Wien, Köln und Hamburg, Salzburg und Zürich. Er schlurfte schon als Jüngerer leidenschaftlich in imaginäre Höhlen der Verwitterung, in einen vorzeitig genossenen Altersgroll hinein - als sei das Knarren die wahre Lebensmelodie, der böse Blick die ehrlichste Botschaft des Menschen. So offenbarte er uns Ibsen und Pinter, Tschechow und Strauß, Goethe und Shakespeare, als öffnete er jedes Mal eine Büchse der Pandora. War Danton und Oppenheimer, war Faust und Brechts Yang Sun; er schwelgte in frecher, befehlschnarrender Hohl᠆wangigkeit - seine Stimme zog sich gleichsam die schneidige Uniform über, um im nächsten Moment die Kutte des klerikalen Dunkelmanns zu tragen. Nun ist Hans-Michael Rehberg - in der TV-Serie »Pfarrer Braun« auch ein herrlich knurriger und etwas angeblödelter Bischof - mit 79 Jahren in Berlin gestorben. hds

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