Klasse statt Masse

Bildungsrauschen

  • Lena Tietgen
  • Lesedauer: 3 Min.

Auf die Einrichtung der Max Planck Schools reagierten die Medien unterschiedlich. Nahezu euphorisch sah sueddeutsche.de die Gründung der Exzellenz-Schulen. Den Einrichtungen schreibt die Zeitung »das Zeug einer wissenschaftspolitischen Volte« zu, verschwinde doch bei der derzeitigen Förderung die »Klasse« des wissenschaftlichen Nachwuchses in der »Masse«. Man spricht davon, dass Deutschland »Europas Doktorfabrik Nummer eins« sei, weil die Zahl der Promovenden bei »200 000« liege. Allerdings, so die Zeitung, könnten es mehr sein, denn nach wie vor hätten die Universitäten das Vorrecht bei der Promotion, weshalb nur circa sechs Prozent an außeruniversitären Instituten promovierten. Gestützt wird diese Kritik auf Doktorandenbefragungen, die »Qualitätsmängel« benennen, und auf das Papier »Promotionen im Umbruch« der Wissenschaftsakademien, in dem die Abhängigkeit von Drittmittelprojekten kritisiert wird.

Dass Deutschland mit gut 28 000 Doktortiteln jährlich mehr dieser akademischen Grade verleiht als andere Staaten in Europa, hat also handfeste ökonomische Gründe - und führt die Wissenschaft insgesamt in eine heikle Situation. Doch statt für alle eine Verbesserung zu fordern, freut man sich über die Destillierung der Exzellenzen aus der Masse.

Auch zeit.de hält das Projekt für sinnvoll, gibt aber zu bedenken, dass es deren »größte Aufgabe« sein werde, »die Elite nicht noch weiter vom restlichen Wissenschaftsbetrieb zu entkoppeln«. Ihr Einwand schließt sich an die Sorge des Verbunds von fünfzehn großen Universitäten, den sogenannten German U15, an, die laut forschung-und-lehre.de einen Brandbrief an Bundesbildungsministerin Johanna Wanka absetzten. Dort befürchtet man eine »Aushöhlung des Promotionsrechts« und bemängelt, dass statt des Ausbaus »bewährter Strukturen wie die in der Exzellenzinitiative geförderten Graduiertenschulen« ein »völlig neuer, bislang nicht erprobter Ansatz ohne signifikante Vorteile« ausprobiert werde. Mittlerweile hat man sich geeinigt. Universitäten wird »weiterhin ein prägender Einfluss auf die Promotionskultur in Deutschland« zugestanden. Die Frage, warum Geisteswissenschaften keinen Platz in den Max Planck Schools haben, wurde vom Bundesministerium mit dem Hinweis abgetan, diese Wissenschaftsdisziplinen seien »über ethische Fragen eingebunden«. Zudem könnten sich »Teams noch ergänzen«.

Auch die Politik reagierte. So will die SPD mit einer »ergebnisoffenen Evaluation« der drohenden Abschottung einer Wissenschaftselite begegnen (spd.de). Der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linkspartei) bewertet es als Aufwertung der Region, dass die »Max Planck School of Photonics« am Jenaer Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik angesiedelt wird. Die nachziehende Industrie schaffe Arbeitsplätze, erklärte Ramelow auf bodo-ramelow.de.

Die CDU begrüßte das Projekt vorbehaltlos und für den Ring Christlich Demokratischer Studenten (RCDS) wird das »Humboldtsche Ideal von Einheit der Forschung und Lehre völlig erneuert«, denn die »stark forschungsorientierte Lehre« setze »neue Maßstäbe«. (verbaende.com). Lena Tietgen

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