• Berlin
  • AfD im Abgeordnetenhaus

Verschwörung und Hass

Seit etwas über einem Jahr ist die AfD-Fraktion Teil des Abgeordnetenhauses

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

25 AfD-Mitglieder zogen nach der Abgeordnetenhauswahl ins Berliner Landesparlament ein. Der Fraktion gehörten bei ihrer Konstituierung am 21. September 2016 nur 24 Mitglieder an. Der als Direktkandidat gewählte Kay Nerstheimer verzichtete von vornherein auf seine Mitgliedschaft. Für den von AfD-Landes- und Fraktionschef Georg Pazderski verfolgten Kurs, möglichst eine bürgerliche Fassade zu wahren, äußerte Nerstheimer seinen Hass auf Minderheiten zu deutlich. Homosexuelle bezeichnete er auf Facebook als »degenerierte Spezies«, Flüchtlinge als »widerliches Gewürm«. Im Juli dieses Jahres wurde schließlich noch Andreas Wild ausgeschlossen, der unter anderem gegenüber dem rbb von einer in Neukölln stattfindenden »Umvolkung« sprach. »Ausmisten« wollte er den Bezirk.

»Kay Nerstheimer und Andreas Wild sind nach wie vor elementarer Bestandteil der Fraktion«, beobachtet jedoch June Tomiak, Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus der Grünen im Abgeordnetenhaus. Bemerkenswert ist auch, dass die beiden weiterhin Mitglieder der AfD sind.

Und wenn man Georg Pazderski und seine Fraktion tatsächlich als bürgerlich ansehen möchte, muss man schon sehr viel ausblenden. »Alles war nur ein Aufbäumen vor dem tiefen Fall, gewissermaßen die verzweifelte Mobilisierung des Volkssturms der Argumente«, sagte Fraktionschef Pazderski selbst erst Ende September bei der Debatte über die weiteren Schritte nach dem aus Koalitionssicht verlorenen Volksentscheid über die Offenhaltung des Flughafens Tegel. »Für uns sind weder zugereiste spanische Internetexperten oder illegale Zuwanderer noch geduldete Flüchtlinge Teil des Volkes«, sagte Pazderski in seiner AfD-Landesparteitagsrede im März diesen Jahres. Offensichtlich rechtsextremes Vokabular.

Die AfD macht sich inhaltlich des öfteren durchaus lächerlich. Ein bizarres Dokument ihrer Weltsicht war der im Februar ins Abgeordnetenhaus eingebrachte Antrag, dass auf der Wetterkarte des ZDF die Grenzen Deutschlands zu erkennen sein sollten. »Das passt zu ihrem Herzenswunsch, Deutschland am Ende tatsächlich als Nation von den Landkarten verschwinden zu lassen«, fabulierte Afd-Fraktionsgeschäftsführer Frank-Christian Hansel verschwörungstheoretisch.

Diese Debatte entwickelte sich zum fulminanten Eigentor, als der FDP-Abgeordnete Stefan Förster kurz vor dem Karneval in einer Büttenrede die »Mischung aus Unsinn und Demagogie« entlarvte. Er erntete langanhaltenden Applaus aller Fraktionen außer jener der AfD. Deren Abgeordnete blickten sehr finster drein.

Kurz darauf leistete sich die FDP jedoch einen Fauxpas. Im März brachte sie einen Antrag zu einem Verbot von Wahlkampfveranstaltungen türkischer Regierungsmitglieder ein - gemeinsam mit CDU und AfD. Es war bundesweit das erste Mal, dass etablierte Parteien einen gemeinsamen Antrag mit den Rechtspopulisten stellten. »Wir waren da etwas naiv, es fehlte uns die parlamentarische Erfahrung«, erklärt Förster. Man habe allen Fraktionen angeboten, dem Antrag beizutreten. »Hätten wir gewusst, dass das so endet, hätten wir das nicht gemacht«, sagt Förster.

Die AfD forciere ihren Markenkern im Abgeordnetenhaus, erklärt Tomiak. »Sie geriert sich als Kämpferin gegen Migration, Klimaschutz, Gender und vermeintliche linke Ideologie. Die Grünen sind die Päderasten und Steinewerfer und die LINKEN sind die Linksfaschisten, Kommunisten«, so die Abgeordnete. Auffällig sei die Frauenfeindlichkeit der AfD-Abgeordneten. »Sie äußert sich durch Zitate und den Umgang mit Frauen im Parlament. Sie brüllen sehr oft dazwischen, besonders wenn junge Frauen sprechen, wie Anne Helm von der LINKEN oder ich«, berichtet Tomiak.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal