Es rumort in Sachsens Erzgebirge
21 Bürgermeister kritisieren Landesregierung
Es soll ein Weckruf für Sachsens Landesregierung sein: 21 Bürgermeister aus dem Erzgebirge, von denen keiner den etablierten Parteien angehört, machen mit einem Positionspapier gegen die Politik des Freistaats mobil. »Überall lesen wir von Rekordsteuereinnahmen, doch an der Basis gibt es nur Kürzungen - das können wir den Bürgern nicht mehr erklären, das nimmt uns keiner mehr ab«, sagte Rolf Schmidt, Oberbürgermeister der Großen Kreisstadt Annaberg-Buchholz am Donnerstag.
Die Kommunalpolitiker kritisieren vor allem die Sparpolitik unter Finanzminister Georg Unland (CDU), die einzig auf Schuldenabbau und Einsparungen gerichtet sei. Sie werfen ihm fehlenden Weitblick vor, wenn der ländliche Raum für eine schwarze Null bei den Banken kaputt gespart werde.
Doch den Bürgermeistern geht es demnach nicht nur ums Geld. In Dresden habe man insgesamt kein Ohr für die massiven Probleme abseits der Großstädte. Vor allem dies spiegele das Ergebnis der Bundestagswahl wider. »Es geht nicht um Flüchtlinge. Die Menschen hier fühlen sich nicht mehr gehört«, so Thomas Kunzmann, Bürgermeister von Lauter-Bernsbach, in Anspielung auf das gute Resultat der AfD in der Region.
Mit vielen Herausforderungen würden die Kommunen allein gelassen, sei es beim Breitbandausbau, beim Ärztemangel oder beim Brandschutz - einer Pflichtaufgabe der Kommunen, die von Ehrenamtlichen getragen werde. »Wir haben 183 Ortsfeuerwehren im Landkreis und 1,8 Millionen Euro pro Jahr für Investitionen zur Verfügung«, sagte Marienbergs Stadtoberhaupt Andre Heinrich. Zum Teil arbeiteten die rund 5000 Kameraden noch mit Technik aus DDR-Zeiten. Wertschätzung des Ehrenamts sehe anders aus, ganz zu schweigen vom Sicherheitsaspekt, so Heinrich.
Zwar verweise man in Dresden gern auf die unzähligen Förderprogramme. Diese seien jedoch mit einem massiven Aufwand in den örtlichen Verwaltungen verbunden. So fülle allein der Fördermittelantrag für einen kurzen Straßenabschnitt einen ganzen Aktenordner, sagte Schmidt. Mitunter seien vier Behörden involviert, um Anträge zu prüfen. Das sei absurd und Ausdruck des Misstrauens gegenüber der kommunalen Selbstverwaltung.
Das Positionspapier solle keine Koalition oder Rebellion gegen die Landesregierung sein, betonten die Bürgermeister. Stattdessen soll es jenseits von Parteigrenzen ein Umdenken in der Politik des Freistaats anstoßen. Im Erzgebirge gibt es rund 60 Kommunen, von denen jede Dritte bislang an dem Positinspapier beteiligt ist. dpa/nd
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